474 Christian Martin Schmidt gen, die bei Mendelssohn, der sich ja selbst der » Revisionskrankheit « zieh, von na-hezu allen Werken überliefert sind. Das gilt auch für das Oratorium » Elias « , das der Komponist nach der Uraufführung am 26. August 1846 in Birmingham 7 einer – man kann schon sagen – drastischen Überarbeitung unterzog, bevor er die Fassung » letz-ter Hand « im April 1847 und wiederum in England aufführte und kurz darauf bei J. J. Ewer & Co. in London sowie N. Simrock in Bonn drucken ließ. Der Gewinn, der gerade bei Untersuchungen der kompositorischen Verfahrensweise aus dem Ver-gleich zwischen den unterschiedlichen Fassungen gezogen werden kann, ist – zu-mal bei Mendelssohn – kaum zu überschätzen. Und er unterstreicht die Richtigkeit der heute weithin akzeptierten Überzeugung, dass alle Stationen des Entstehungs-prozesses bzw. der vom Komponisten verantworteten Verbreitung (Skizzen, Fas-sungen, Klavier-Auszüge) zum musikalischen Werk selbst gehören und publiziert werden müssen.8 *Motiv A eignet sich kraft seiner einfachen Gestalt, der Kürze und symmetrischen Anlage besonders gut als Keimzelle der gestaltlichen Verarbeitung, wie denn das Verfahren der motivischen Variation generell durch die Einfachheit eines diastema-tischen Modells begünstigt wird. Die chiastische Struktur bringt es mit sich, dass der Krebs der Grundgestalt mit deren Umkehrung zusammenfällt:Notenbeispiel 5: Motiv A Angesichts der immer wieder akzentuierten Beziehung des mendelssohnschen Komponierens zu dem OEuvre von Johann Sebastian Bach soll auch hier nicht uner-wähnt bleiben, dass das Motiv umstandslos als diastematische Variante des bekann-ten B-A-C-H-Motivs interpretiert werden kann.7 Von dem überaus umfangreichen Material, das bei der Aufführung in Birmingham benutzt wurde und heute noch vorliegt, stellt die Partitur-Abschrift, die der Komponist von Eduard Henschke in Leipzig herstellen ließ, die zentrale Quelle dar. Sie wird heute in der Birmingham Central Library un-ter des Signatur Ms. 1721 aufbewahrt.8 Der Band der » Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy « , der die Frühfassun -gen des » Elias « enthält (= Serie VI, Bd. 11A), ist 2012 erschienen.