Entfaltung eines Motivkeims bei Felix Mendelssohn Bartholdy 481 Die Nr. 14a ist in der Partitur-Abschrift durch Eduard Henschke überliefert, gehört also zu der in Leipzig für Birmingham geplanten Fassung. Nr. 14b dagegen ist le-diglich in englischen Quellen dokumentiert, sei es in den handschriftlichen Auffüh-rungsmaterialien, welche den Überarbeitungsprozess durch Streichungen, Tekturen und zum Teil autographe Korrektureintragungen belegen, sei es im gedruckten Pro-grammheft der Uraufführung. Der Satz ist also einer derjenigen, die erst unmittel-bar vor der Uraufführung eine Revision erfuhren,13 um danach im Blick auf die Endfassung erneut überarbeitet zu werden. Und diese zweifache Umgestaltung be-zieht sich in erster Linie auf die Platzierung des Motivs A.Die vier formalen Orte (siehe die Notenbeispiele 11 bis 13), an denen Mendels-sohn das Motiv A präsentiert, sind direkt auf den dramaturgischen Gang der Aus-einandersetzung zwischen dem König Ahab und dem Propheten Elias bezogen, de-ren Vorgaben vom Chor des Volkes responsorial beantwortet werden:I: Der Anfang der Prophetie des Elias, welche direkt auf die Einleitung bezogen ist. II: Das Ende der Prophetie.III: Das Ende des instrumentalen Vorspiels, welche in die konfliktgeladene Stim-mung der Szene einführt.IV: Das Ende der Auseinandersetzung zwischen Ahab und Elias, deren Ergebnis vom Chor durch das Gelöbnis » der sei Gott « beglaubigt wird.Das Motiv A fungiert somit nur einmal als Initium und dreimal als bekräftigender Schluss eines Abschnitts. Bleibt es in seiner initialen Funktion in allen drei Fassun-gen unangetastet, so änderte Mendelssohn die Disposition hinsichtlich des finalen Motiv-Einsatzes von Fassung zu Fassung.In Nr. 14a beschließt das Motiv die vorangestellte Prophetie (T. 13–14) und run-det das Gelöbnis des Chores ab (T. 85–87). Somit gleicht die Prophetie der Einlei-tung (siehe Notenbeispiel 4 und 9) hinsichtlich des motivischen Rahmens.In Nr. 14b verschiebt Mendelssohn das Motiv vom Ende der Prophetie ans Ende des instrumentalen Vorspiels (T. 17–19) und fasst solchermaßen die beiden intro-duktorischen Abschnitte Prophetie und Vorspiel durch die Verklammerung des Motivrahmens zusammen. Der Einsatz des Motivs am Ende des Gelöbnisses (T. 80–81) entfällt.Die definitive Nr. 10 stellt gleichsam eine Bündelung der beiden Frühfassungen dar. Sie übernimmt aus Nr. 14b die Platzierung des Motivs ans Ende des instrumen-talen Vorspiels (T. 20–22) und aus Nr. 14a diejenige ans Ende des Gelöbnisses (T. 84–86). Offenkundig erschien Mendelssohn nun aber die Beziehung der Prophe-tie zur Einleitung als zu schwach, und er fügte das – allerdings unvollständige – 13 Mendelssohn traf in den Abendstunden des 17. August 1846 in London ein. Wie der Quellenbefund eindeutig belegt, muss also die Überarbeitung von Nr. 14a zu Nr. 14b ebenso wie die von mehreren anderen Sätzen, namentlich Rezitativen, auf die acht Tage vor dem 26. August, dem Tag der Auffüh-rung in Birmingham, datiert werden.