486 Gerhard Schmitt Eine mit viel Fantasie geschaffene Kompositionsweise also, die sich während der Analyse gut zu erkennen gibt, wie die einzelnen Teile eines Puzzles, von denen man weiß, dass sie da sind. Es stellt sich aber unwillkürlich die Frage, was daran, bei aller Fantasie, für eine Neuorientierung der musikalischen Analyse interessant sein könnte? Es sind die verschiedenen Ebenen von Konzepten, die in ihrer Konver-genz eine idiomatische Qualität von bemerkenswerter Nachhaltigkeit entstehen las-sen. Bemerkenswert vor dem Hintergrund der Pärt-Rezeption, die sich seit Jahren auf einem affirmativem Hoch bewegt; bemerkenswert wegen der merklichen Dis-krepanz zwischen Material und Wirkung. Die ist nämlich stets in einer Art und Weise verstörend, dass man sie einer solchen, schon fast primitiv anmutenden Kom-positionsweise ursächlich niemals hätte zugestehen wollen.1.1 Musiktheorie und Konzeptuelle Metapher Eines der häufig angeführten Beispiele ist die Opposition HOCH/TIEF und sein » Verstandenwerden « als fundamentaler Raumparameter durch das » Erlebtwer-den « . Als wiederholte ontologische Grunderfahrung sedimentiert sich dieses Erlebt-werden schließlich und macht die Welt für den heranwachsenden Menschen räum-lich erfahrbar. Johnson bezeichnet diese Grunderfahrung als » image schemata « . Das weitere Begreifen der Welt besteht nun aus dem Transfer der Grunderfahrungen, was man in der Kognitionswissenschaft auch als » cross-domain-mapping « bezeich-net. Gemeint ist der Übertrag des bekannten Wissens und seiner Begriffe auf neue, noch nicht begriffene Bereiche, üblicherweise bezeichnet als Domänen. Ein gutes Bei-spiel für ein musikalisches CDM hat man mit der Tonhöhe, wobei sich hohe und tiefe Töne begrifflich nach den Inhalten der Domäne RAUM ausrichten. Auf das CDM als die kognitive Metapher folgt die Sprachmetapher, die man heute freilich nicht mehr als Metapher bezeichnen würde. Oder es folgt Sprachlosigkeit, weil sich die Musik nicht von alleine hat mitteilen können. Dann liegt der Vergleich mit einer fremden Sprache nahe, weil es sich ja ge-wissermaßen um Kauderwelsch handelt. Dieses Wort gehört in die Domäne SPRA-CHE und bedeutet, dass das Nichtverstehen des Klangeindrucks über den Transfer der Begriffe aus dem Bereich der Sprache verstanden wird. Lakoff und Johnson ha-ben hierzu den theoretischen Überbau geschaffen. Was fangen Musikwissenschaft und Musiktheorie mit diesen Erkenntnissen an? Welche Nutzen haben sie über die bloße Vergleichbarkeit der sprachlichen Meta-phern hinaus? Die folgenden Überlegungen sind von der Vorstellung einer Sprach-losigkeit geleitet, wie sie Analysierende und Rezipienten von zeitgenössischer Mu-sik oft befällt. Dazu zählt auch das Versinken in Kontemplation, vor allem bei Wer-ken Pärts. Es scheinen die stilistischen Extrema zu sein, die den Sprachreflex zu-nächst unterbinden. In dieser Vorstellung von Sprachlosigkeit wird das | ZUR-SPRACHE-BRINGEN| des Klangerlebens als ein Ringen nach Worten aufgefasst. Die eigentümliche Schreibweise steht für ein Metaphernkonzept.