496 Mieczysław Tomaszewski (1) seine Antizipation, also eine frühere Erscheinungsform der vollen Konkre-tisierung des gegebenen Stils in einer bestimmten Phase;(2) seine Festigung, d. h. eine variantenartige, unmittelbare Wiederholung des Stils einer Phase; und (3) sein Echo, also den späteren Widerhall des schon früher präsentierten Stils.3.Wenn wir davon ausgehen, dass die Reihenfolge dieser hervorgehobenen sechs Mo-mente im Lebenslauf nicht zufällig ist, dass sie also der » natürlichen « Reihenfolge entspricht, müssen wir zu der Schlussfolgerung kommen, dass diese Momente eine Interpunktionsfunktion erfüllen. Sie teilen den Lebenslauf in aufeinanderfolgende Phasen. Gemeint sind dabei die Phasen des Lebenslaufs eines Künstlers, man kann sie also nicht anders als Phasen des Schaffens bezeichnen. Sie können auch für stilis-tische Phasen gehalten werden, durch jene Momente inspiriert, suggeriert, manch-mal sogar determiniert.(1) Die Phase des Anfangsschaffens wird in der Regel in ihrer Form durch den Moment der Übernahme des Erbes » mit Rechtswohltat des Inventars « determiniert. Es ist die Nachahmung der angetroffenen Muster – mehr oder weniger exakt, manchmal geradezu mimetisch (z. B. die Abhängigkeit der ersten Polonaisen Cho-pins von dem Modell, das von Ogiński oder Kurpiński geschaffen wurde). (2) Die Phase des frühen Schaffens wird durch den vorangehenden Moment der ersten Faszination inspiriert, die aus dem Bereich außerhalb der geerbten Tradition kommt. Sensibilisierung für das Neue und Andersartige. Entwicklung, Umformung und Adaptierung eines selbst gewählten Modells. Es wird zum » kristallisierten « Ideal, das manchmal auch eine Fetischfunktion ausübt.(3) Die Phase des reifen Schaffens. Erfolgt gewöhnlich nach dem Moment des Sturm und Drangs, d. h. nach der Überwindung der Krise. Bedeutet Befreiung so-wohl von der bändigenden Tradition, als auch von der » Berauschung « an dem selbst gewählten Modell. Zeit der handwerklichen Reife, was die Herrschaft über die Materie ermöglicht, was wiederum die Möglichkeit schafft, sein eigenes Gesicht zu zeigen. In dieser Phase erst kommt das par excellence Beethovensche, Schubert-sche, Chopinsche zu Wort. Am häufigsten nimmt es die Gestalt und den Charakter des kompositorischen Monologs an.(4) Die Gipfelphase des Schaffens, nahezu der zweite Akt der schöpferischen Fül-le, kommt am häufigsten zu Wort nach dem Moment, der als bedeutungsvolle Begeg-nung bezeichnet wurde. Ich möchte hier erinnern: Begegnung mit einer anderen Persönlichkeit, oder mit einem anderen Werk, das deutlich die Persönlichkeit des Schöpfers widerspiegelt; manchmal ist es sogar nur ein Werk. Phase der vollen, tief-greifenden Selbstrealisierung, die hier ihren Gipfel erreicht – vor allem in dem schöpferischen Dialog. Die Selbstrealisierung, die durch diese Begegnung inspiriert ist, ihre Identität konfrontiert und bestätigt – dadurch lässt sie alle Segel aufspannen.