502 Petra Weber sche Paar φύσις- νόμος (physis-nomos) konstituiert einen Antagonismus, das deut-sche Paar Natur-Kunst tut das in gewisser Hinsicht auch, kennt jedoch in der Ge-schichte der modernen Ästhetik die Konstruktion eines Wechselverhältnisses; das lateinische Begriffspaar natura-ordo hat andere, wesentliche Implikationen, die ich streifen muss nicht nur, um die historische Sachdarstellung nicht unzulässig zu ver-kürzen, sondern vor allem, um die Problematik der Subsumption der Musik unter den modernen Kunstbegriff in den Blick zu nehmen.1 φύσις (physis) gegen sowohl νόμος (nomos) als auch τέχνη (technē) Von einer komplexen Arbeit der vorsokratischen Naturphilosophie ausgehend, fin-det sich sowohl bei Platon 2 als auch bei Aristoteles 3 ein Physis-Begriff, den man deutsch mit ›Beschaffenheit‹ oder ›Wesen‹ einkreisen könnte, so wie auch wir von der Natur einer Sache sprechen. Wie auch immer das So-Sein der Dinge begründet wird – wir haben es zunächst mit einer Sprachkonvention zu tun, die wir in den Bahnen unserer Muttersprache recht gut nachvollziehen können. Bei Aristoteles fin-det sich aber auch, soweit ich es verstehen kann, ein Aspekt des Wortes, der auf das Werden und Wachsen, also auf das Entstehen der Dinge zielt.4 So könnte man über-legen, dass im Wort φύσις, wie es bei Aristoteles nach bereits langer Begriffsge-schichte verwendet wird, das So-Sein der Dinge aus ihrer Entstehung zu begründen möglich ist – oder man könnte diesen Aspekt des φύσις-Begriffs knapp so formulie-ren: die Dinge sind so, wie sie entstanden sind. Noch bei Isidor v. Sevilla ist in der » Etymologia « 5 über die Natur zu lesen: » Natura dicta ab eo quod nasci aliquid fa-ciat. Gignendi enim et faciendi potens est.« (Natur heißt, was machen kann, dass et-was geboren wird. Sie ist nämlich fähig entstehen zu lassen und zu machen.)Den Gegensatz zu dieser gegebenen φύσις haben die Sophisten, z. B. Antiphon und Hippias v. Elis,6 in dem Wort νόμος als dem von Menschen Gesetzten aufge-stellt. Wiewohl der iuridische Kontext nicht zu übersehen ist, bereitet doch diese Denkfigur den Weg für das Gegensatzpaar von Gegebenem und menschlich Ge-machtem. (Dass es eine seit dem 7. vorchristlichen Jahrhundert bezeugte musika-lisch-technische Bedeutung des Wortes νόμος gibt, soll hier unberücksichtigt blei-ben.)7 2 Staat II, 374e – 376c.3 Physik II, 1, 192b, 8ff.4 Metaphysik Δ, 3, 1014b.5 Etymol. 11, 1, 1.6 Nachweise in F. P. Hager: Natur (I), in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter u. Karlfried Gründer, Bd. 6, Darmstadt (1984), Sp. 425–28 m. Anm. 81–92, bes. 85–88.7 Für den solistischen Vortrag bestimmtes Melodiemodell, offenbar zunächst in Verbindung mit dem Apollonkult stehend; instrumentale Ausführung (Kithara, Aulos) und (strophische?) Gliederung in mehrere Teile (sieben beim kitharodischen N., fünf beim aulodischen); in hellenistischer Zeit auch in den Kulten für Athene, Zeus und Ares bezeugt.