544 Rainer Wehinger Interpretation?Stücke, die mit SuperCollider produziert werden, sind prinzipiell » fertig « , es gibt in diesem Sinne keine Partiturtabelle, die es vor einer Performance zu interpretieren und zur endgültigen Komposition auszuarbeiten gälte. Gegenüber der instrumenta-len Fassung von Projekt 1 erscheint dies als Manko, betrachtet man die vielgestalti-gen und differenzierten Möglichkeiten, aus Akkordfolgen originelle, polyphon ver-flochtene Kompositionen abzuleiten. Für eine Interpretation gibt es jedoch dann kei-ne Notwendigkeit, wenn die Eingabedaten in hohem Maße vorstrukturiert sind, und wenn die Algorithmen alle notwendigen Parameter berücksichtigen. Koenig hat diesen Weg in Projekt 2 gewählt.In SC-PR1 sind ähnliche Ansätze gegeben: Die Gestaltung der Klang-Algorith-men, ihr Zeit- und Raumverhalten, ihre Kombination sind Maßnahmen, die mit den Projekt 1-Ergebnissen eine enge strukturelle Verbindung eingehen und die nur in der Planungsphase vorgenommen werden können.Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten, alle mit der Maßgabe, das Struktur-modell von Projekt 1 weitgehend zu berücksichtigen: sie betreffen die Strukur, den Klang sowie die Nachbearbeitung.Struktur – Dauern der Akkorde bedürfen notwendig der Definition. Sie erscheinen hier – analog zu anderen Entscheidungsprozessen in Projekt 1 – als Bereich, innerhalb dessen der Zufall den Wert ermitteln kann. Dauernwerte, die länger sind als die Einsatzabstände, führen zu Überlagerungen, zu Klangflächen, deren harmoni-sche Farbe von den Tonhöhen und der Anzahl der Akkordtöne bestimmt wird. Dies kann wünschenswert sein, wenn man Sektionen mischen und darin eine Differenzierung gegenüber anders strukturierten (z. B. eine Vorder-, Hinter-grundwirkung) erzielen will.– Pausen sind in den Algorithmen von Projekt 1 nicht vorgesehen. Sie können hier auf zweierlei Weise realisiert werden: zum einen als ein Instrument, das » Stille « produziert: die Pause wird hier Bestandteil des Instrument-Parameters. Oder als » Lautstärke Null « : die Pause wird Teil des Dynamik-Parameters. – Überlagerung von » Schichten « ist in Koenigs Formkonzepten fest verankert.34 Bereits in elektronischen Werken – z. B. » Essay « , bei dem vorproduzierte Ab-schnitte nach seriellen Plänen gemischt (synchronisiert) werden –, aber auch in Instrumentalkompositionen, die Projekt 1 vorausgingen, ist dieses Prinzip anzu-treffen:34 Gottfried Michael Koenig: Schichten und Varianten, in: Ästhetische Praxis 5 (2002), S. 240ff.