564 Gerhard J. Winkler Leittons dis in die Septime d kommt. Das Kadenzmodell bestünde dann aus einer Folge von drei Vierklängen, bei denen das Faktum der Septimenparallelen zweimal auftritt (Bsp. 10). In diesem Fall hat der mittlere Akkord aus Gründen der entstehen-den multiplen Parallelen dem Fall Bsp. 8a zu entsprechen.)19 Notenbeispiel 10 V.Kann man bei dem untersuchten Kadenzmodell tatsächlich von einer » Vorstufe « des Tristan-Akkordes sprechen, obwohl die » eigentliche « Tristan-Wendung darin auf einer akustischen Täuschung beruht? Andererseits enthält die Kadenzbildung eine Reihe von Elementen, die auch im Tristan-Akkord wirksam sind: der Anfangs-akkord, die alterierten Akkordbildungen, die parallelen Septimen – so als hätte Wagner den Dreischritt auf eine einzige Wendung komprimiert und » zusammenge-zogen « .Man kann jedoch vermuten, dass die Genese des Tristan-Akkords in der Wag-nerschen Schaffensbiographie nicht unwesentlich über diese Brücke erfolgte, und zwar speziell vom Sprungbrett der kurz zuvor (1855–1856) vertonten » Walküre « aus. Der Nachsatz des sogenannten » Todesverkündigungsmotivs « aus dem Schluss des zweiten Aktes entspricht exakt dem letztgenannten Bsp. 10 mit zwei aufeinan-der folgenden chromatischen Septimenschritten zum Dominantseptakkord hin, wo-bei die am Schluss erscheinende » Fragefigur « in die Quintlage des Dominantseptak-kordes (siehe Bsp. 9) nichts anderes als eine Fortspinnung des sogenannten » Todes-verkündigungsmotivs « darstellt (Bsp. 11).20 Notenbeispiel 11 19 Vgl. die bei Giesl (s. Anm. 15), S. 431–432 unter 39c figurierende » tertiäre doppelt halbtönige [Clau-sel-]Variante « . 20 Siehe ebd. (Beispiel 39 d): Giesl bezieht sein Beispiel allerdings aus Wagners Götterdämmerung, wo es als eine Erweiterung der zahlreichen von ihm angeführten Clausel-Varianten im Tristan figuriert, und nicht aus der Walküre, wo es unter der Perspektive seiner Brückenfunktion zum Tristan-Akkord hin beleuchtet wird.