Postludium Höre ich womöglich was, was er nicht sieht?Versuch über Hans Hartmuth Kinzler Hans Christian Schmidt-Banse Dass einer wie er aus dem universitären Lehrbe-trieb verschwinden sollte, ist schwer einzuse-hen … jetzt beherrscht er das Geschäft, jetzt sollte er eigentlich anfangen. Stattdessen muss ich mich in der vermoderten Kunst des Festschriftens üben, diesen akademischen Grabreden zu Lebzei-ten – mehr oder weniger verlegene Anlässe für Hinterbleibende, die Festplatten nach Skripten mit längst abgelaufenen Verfallsdaten durch-skrollen, im Vertrauen darauf, dass solche an der Straße ausgestellten Sperrmüll-Ensembles durch-aus ihren ästhetischen Charme haben könnten … den einer skurrilen Zufalls-Geschichtlichkeit mit dem Hauch verblichener Wichtigkeit. Warum ich dieses Spielchen mit seinem petrifizierten Regelwerk Antritts-Visitenkarte dennoch mitspiele und mich in die Reihe jener Gra-tulanten stelle, die gleich mir so recht nicht wissen, wozu sie gratulieren sollten (dass er damals kam, dass er heuer geht?), hat einen schlichten Grund: meine brü-derliche Liebe zu diesem Hans Hartmuth Kinzler. Und die wiederum hat eine gan-ze Menge Gründe, davon ich auszugsweise berichten sollte, in der leisen Hoffnung, sie mögen einen stillen Winkel in der Sammlung hier aufgereihter Epitaphe finden. Fußnoten. Schattenspiele. Erinnerungssplitter. Die Skizze eines Portraits. Mehr nicht.Reinhard Mey streicht mir durch den Sinn: » Schade, dass Du gehen musst lang vor Deiner Zeit « . Denn so einen wie diesen Kinzler wird die Fakultät nicht wieder-kriegen. Das fiel schon dem damaligen Präsidenten Horstmann während Kinzlers Antrittsvorlesung auf, wo von der Strukturverwandtschaft zwischen dem C-Dur-Präludium aus Johann Sebastian Bachs ›Wohltemperiertem Clavier‹ Band I und der C-Dur-Etüde op. 10 Nr. 1 von Frédéric Chopin die Rede war. Nicht dass uns allen