570 Hans Christian Schmidt-Banse bzw. der Septakkord der siebten Stufe von G-Moll.) Da das C-Dur-Prélude sich an exponierter Stelle des Zyklus, nämlich an dessen Anfang befindet, ist verständlich, daß auch der dritte Takt mit denselben Tonhöhen operiert, wobei wiederum zur Harmonisierung mit der Tonika zurückgegangen wird: Man zeigt gewissermaßen das Prinzip zu Beginn in » Reinform « . Um die erste Viertaktgruppe, eine der syn-taktischen Grundeinheiten des Chopinschen Komponierens allgemein, zu vervoll-ständigen, sie zugleich aber auch mit einer Zäsur zu versehen, wählt der Kompo-nist für die Tonhöhengestaltung zwar weiterhin das Sekundmotiv, nicht aber die Tonhöhe g1 mit ihrem Nebenton, sondern das – durchaus naheliegende – c2. Als Besonderheit ist allerdings das Verhältnis der Töne zum weitergeführten Akkord der Tonika nun umgekehrt: Nicht mehr der erste Ton des Sekundmotives ist ak-kordeigen, sondern dessen zweiter, und überdies ist der harmoniefremde Ton nicht mehr der obere, sondern der untere Nebenton. Als sekundärer Effekt ergibt sich durch diese Variation zugleich ein zusammenhängender Tonleiterausschnitt von der fünften zur darüberliegenden achten bzw. ersten Stufe, die Folge: g1 – a1 – h1 – c2. Traditionellen Kompositionsprinzipien gemäß kann auf eine solche Vier-taktgruppe eine variierte Wiederholung folgen, etwa nach dem Prinzip der Bil -dung der sogenannten Dominantform dieser Gruppe, bei der üblicherweise die Abfolge der Akkorde durch Ersetzen der Tonika durch die Dominante und umge-kehrt umgestellt wird. So auch Chopin, wenn er in den nächsten vier Takten mit dem Sekundmotiv auf der Quinte der Dominante operiert. Daß er dabei aus der Abfolge T, D, T, T nicht mechanisch D, T, D, D ableitet, sondern mit der vierten und zweiten Stufe operiert, also der Folge S5/6, DD7, D7, D7, trägt zur harmonischen Belebung bei. Prinzipiell aber könnte unmittelbar auf den Tonika-Anfang mit dem Sekundmotiv auf dessen Quinte die Fortsetzung mit dem Motiv auf der Quinte der Dominante folgen, eine Konstellation, die gegen Ende des Stückes auch tatsächlich als Verkürzung zu einer Zweitaktgruppe auftritt und zusammen mit ihrer rhyth-misch geringfügig modifizierten Wiederholung die vorletzte Viertaktgruppe bildet (Takt 25 bis 28). Beachtenswert, daß die Umkehrung der Abfolge von harmonie-eigenen und -fremden Tönen zu Ende des ersten Viertakters sich auch auf dessen variierte Wiederholung bezieht: In Takt 8 ist wieder der erste Ton der akkordeige-ne. Analog wird außerdem der Wechsel der Hauptnote vom dritten zum vierten Takt, der vom g1 zum c1, im Übergang vom siebten zum achten wiederholt: es geht vom d2 zum h1. Die Diskussion des Tonhöhenverlaufs kann an dieser Stelle abge-brochen werden. Vermerkt sei lediglich noch, daß die Idee eines leitermäßigen, un-unterbrochenen Ansteigens, das sich als sekundäres Moment in Takt 4 ergab, nun extrapoliert und weitergeführt wird, wobei in Takt 13 erstmals auch leiterfremde Nebentöne einbezogen werden und sich so eine chromatische Linie der Melodie er-gibt » (aus: Zwei generative Ideen in Chopins Präludiensammlung op. 28).« 1 1 Hartmuth Kinzler: Zwei generative Ideen in Chopins Präludiensammlung op. 28, Vortrag auf dem » 3. Internationalen Chopin-Kongreß / III Międzynarodowy Kongres CHOPIN 1810 – 2010: Idee – In-terpretacje – Oddziaływania / Ideas – Interpretations – Influence. 25. 2. – 1. 3. 2010 « ; Druck in Vorbe -reitung.