Postludium 571 Es ist, als läse man Kant … alles scheint einfach, klar und einleuchtend. Doch die rückblickende Gewissenserforschung belehrt, dass man seitenweise gar nichts be-griffen hat – zurück auf Anfang! Was mich dann ärgert, ist die deprimierende Ein-sicht, dass unsereiner in der Tat nicht sieht, was er hört … und auch nicht hört, was er sieht. Das verstört. Nicht etwa ein zwischen den gelehrten Zeilen nistender, aka-demischer, fußnotengepanzerter Hartmuth-Hochmut (den kennt er nicht), sondern diese unerträgliche Leichtigkeit des analytischen Seins. Dieser Teil seines Wesens war mir immer ein Rätsel und wird es ewig bleiben … frei von kollegialer Miss-gunst und voll der Bewunderung. Oft wohl auch begleitet von der Frage nach dem Cui bono eines so beschaffenen wissenschaftlichen Zugriffs auf Musik, soll heißen: wem sie denn welches Wissen schaffen sollte. Aber diesen Faden lasse ich einstwei -len hängen, mit Verlaub. Seine grauen analytischen Zellen arbeiten schneller, sprit-ziger, sprunghafter; die Kinzler'schen Synapsen schließen rascher auch in scheinbar entspannter Geselligkeit. Wer hätte nicht und wie oft jene bekümmernde Erfahrung machen müssen, seine um viele Ecken gedachten Witze, jene funkelnden Emanatio-nen eines kaustischen, sardonisch lächelnden Humors, auf Anhieb nicht zu kapie-ren? Momente, wo einem das Lachen in der Verlegenheit intellektueller Ladehem-mung steckenbleibt, leider. Das elementare Spiel des Jägers Schnelligkeit – ein markantes Kinzler-Prädikat. Als leidenschaftlicher Klavierspieler wirft er tolldreist sich in jede Kurve, je riskanter und todesmutiger, desto be-glückender. Was mich bei seinen pianistischen Loopings allerdings erstaunt, dass gerade er, der sich jahrelang seinen gescheiten Kopf über historisch korrekte Tempi zerbricht, diese im exekutierenden Ernstfall über Bord wirft und einer geradezu ju-gendlichen Unbekümmertheit opfert, um – keiner weiß warum – Bach oder Beetho-ven auf der Überholspur heißspornig ins Ziel zu pfeffern, wobei seine Bartspitzen just im gleichen Irrsinns-Tempo auf und nieder vibrieren … ein körpereigenes Me-tronom, sozusagen. Das hat was mit seinem Autofahrstil zu tun, glaube ich. Wer je das Glück oder Pech hatte, Mitreisender = Mitrasender auf dem Beifahrersitz seines Autos zu sein, weiß, dass sich die Rasanz des handelnden Denkens oder Klavier-spielens bis in die rechte Fußspitze schicksalhaft verlängert. Im Moment, wo er das Auto besteigt, mutiert er in Sekundenschnelle zum Verkehrs-Zombie, was sich so gar nicht jener Gelassenheit beifügt, die er per pedes an den Tag legt. Autofahren ist Kampf, seiner Ansicht nach anthropologisch bedingt: das elementare Spiel des Jä-gers mit seiner radfahrenden Beute oder mit konkurrierenden Kämpfern auf des As-phalts freier Wildbahn. Unvergesslich die jauchzende Freude über den neuen AUDI mit elektronisch beweglichen Seitenfenstern, welch technischer Fortschritt einher-ging mit der Möglichkeit, jetzt auch rechtsheraus die spitzen Pfeile verbaler Injurien auf jene Feinde abzuschießen, die dem Kinzler'schen Fortbewegungsduktus schwa-chen Widerstand zu leisten sich anmaßen. Mit dem längst fälligen Umstieg auf ein