Postludium 573 geblieben, sie sei von Villa-Lobos, Rossini, Honegger oder Riley. Auch hätte er als Lokführer dann und wann einmal gestreikt, was er als Professor gottlob nicht darf. Neinnein, das hat schon seine Ordnung, dass er sich mit dem Leben eines virtuellen Eisenbahners zufrieden gibt … in der gegenwärtigen Realität einer Welt notorischer DB-Verspätungen hätte diese seine eiserne schwäbische Pünktlichkeit ohnehin zum frühzeitigen beruflichen Burn-Out geführt. Und sich mit einem lahmarschigen Auf-sitzrasenmäher ersatzweise abzufinden, dazu kann dieser fallschirmspringende, hubschraubende, wasserdampfgetriebene und vollgasgebende Geschwindigkeits-Junkie sich wohl niemals durchringen. Von schwäbischer Art Was freilich eine andere Spur ahnen lässt – die einer denkwürdig altmodischen Be-harrungstendenz. In diesen Zeiten, da die Nutzung von Rechnern der Mac-Klasse zur Darstellung professoralen Selbstwerts zählt, tippt Kinzler mit bornierter Stur-heit immer noch auf die Tasten eines ATARI-Geräts, das man allenfalls mit begriffli-cher Weitherzigkeit zur Spezies eines Computers zählen mag. Darauf und darein verschlüsselt er sein kostbares Wissen, dort sind alle Texte Adornos und anderer Geistesriesen abgelegt, alle Analysen und Klausuren. Dass diese Mühle immer noch funktioniert, bleibt jedermann schleierhaft, ihm selber wohl auch. Manchmal habe ich den Verdacht, dem müsse eine gewisse Eitelkeit zugrunde liegen: die von gesell-schaftlichen Randgruppen, welche dem Internetzugang gleichermaßen standhaft sich verweigern wie dem sonntäglichen Kirchgang. Möglicherweise trägt auch jenes einzigartige Schwaben-Gen dazu bei, das lange Bewährte zu erhalten und keinen Euro zu verschwenden für Dinge, die man bereits hat. So kostete es viel Mühe und die List eines von langer Hand vorbereiteten runden Geburtstags, um ihn endlich runterzuholen von seinem entfernt einem Fahrrad ähnelnden Fortbewegungsmittel aus längst verwichenen Studententagen. Das passt mit dem eben dargestellten Bild eines Hochgeschwindigkeitsfanatikers schlecht zusammen, aber so ist sie halt, die schwäbische Art: » Was du ererbst von Deinen Vätern – erwirb es, um es zu besit-zen « . Denn niemandem, weder Frau noch Freunden, ist es bis dato gelungen, ihm die bewusste Kordhose auszureden, dieses ein wenig formlose Beinkleid, das er schon zu tragen pflegte, als ich ihn vor fast 30 Jahren kennenlernte. Mittlerweile ist deren Farbton nicht mehr präzise definierbar. Doch gleicht sie dieses Manko durch eine Haltbarkeit aus, die ans Wunderbare grenzt. Ihren kaum merklichen Verschliss kompensiert sie dadurch, dass sie zum Markenzeichen avancierte gleich einer Anti-quität, die, je älter, umso eindrucksvoller ihren Wert als Preziose steigert. Kinzler'-sche Hosen, wenn sie denn (was unwahrscheinlich ist) eines Tages nicht mehr trag-bar sein sollten, gehen nicht kaputt … sie gehen dahin, dermaleinst. Altmodische Beharrungstendenzen wo auch immer – einmal Gast in der Mensa, immer Gast in der Mensa. Das liegt zum einen daran, dass ihm die Kunst des Ko-chens ein Buch mit sieben Siegeln blieb, trotz üppiger medialer Informationsversor-