- 25 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (24)Nächste Seite (26) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

einen Artikel, in dem er diese Behauptungen widerlegte. Das konnte jedoch die Gemüter nicht beruhigen – die Oper wurde am 12. Februar abgesetzt. Gleiches geschah auch an den Theatern in Kassel, Bremen und Dresden. In dieser Situation entschied sich das tschechische Nationaltheater, den von den Deutschen so schlecht behandelten Komponisten zu feiern und veranstaltete ihm zu Ehren ein Konzert und am 19. Februar eine Gala-Soirée, auf der er seine Werke dirigierte.25
25
La Grange I, S. 217f.
Mahler hat im übrigen mehrmals Aufführungen im tschechischen Nationaltheater besucht und empfahl besonders Smetana zur Aufnahme in den Spielplan seiner kommenden Saison in Leipzig26
26
Brief an den Leipziger Operndirektor Max Staegemann vom Juni oder Juli 1886, Mahler, Briefe, S. 50.
.

Etwa zwei Monate nach der Auseinandersetzung um Saint-Saëns dirigierte Mahler am 18. April 1886 ein Wohltätigkeitskonzert zugunsten bedürftiger Jura-Studenten der Deutschen Universität.27

27
Blaukopf, Dokumente, 175.
Auf dessen bunt gemischtem, populärem Programm erschien neben drei eigenen frühen Liedern Mahlers auch der Kaisermarsch Richard Wagners28
28
La Grange I, , S. 221.
, eine im Rahmen des deutsch-französischen Krieges 1871 verfaßte Hymne auf Wilhelm I., der am 18. Januar 1871 in Versailles zum Deutschen Kaiser gekrönt worden war. Wagner komponierte das Werk zwischen Februar und Mitte März 1871 in Tribschen für großes Orchester und einstimmigen Volksgesang ad libitum auf einen eigenen Text.29
29
Vgl. Wagner Werk-Verzeichnis, Mainz 1986, S. 509–515.

Die beiden folgenden Jahre, die Mahler in Leipzig verbrachte, verliefen ohne ethnische oder nationalistische Konflikte. Nennenswert in unserem Zusammenhang wäre hier allenfalls eine abermalige Berührung mit dem Militär. Mahler trat in Kontakt mit dem Hauptmann Karl von Weber, auf dessen Anregung er die hinterlassenen Skizzen zur Oper Die drei Pintos von Carl Maria von Weber zu einem spielbaren Werk vervollständigte. Während dieser Arbeiten trat Mahler in ein Verhältnis zur Frau des Hauptmanns, Marion von Weber. Der Ehemann verschloß vor dieser Liaison die Augen, um seine Stellung innerhalb des Militärs nicht zu gefährden.30

30
La Grange I, , S. 264f.

Als Operndirektor in Budapest sagte er in seiner Antrittsrede vor dem versammelten Personal der königlichen Oper, er habe die Ehre, »an die Spitze eines Instituts zu treten, welches dazu berufen ist, Heimat und Hort der nationalen Kunst dieses Landes zu werden«31

31
Zit. nach Ludwig Karpath, Begegnung mit dem Genius, Wien-Leipzig 1934 [= Karpath, Begegnung], S. 17.
. Als erste Maßnahme in dieser Richtung verlangte Mahler, daß Ungarisch die Bühnensprache der Aufführungen werde, auch für original italienische Opern wie Mozarts Figaro und Don Juan, wie die Oper damals noch hieß, und für deutschprachige Opern, etwa für Beethovens Fidelio und Wagners Werke. In diesem Sinne ließ er gleich zu Beginn seiner Tätigkeit Das Rheingold und Die Walküre, die er neu einstudieren wollte, ins Ungarische übersetzten.32
32
La Grange I, S. 288.
Das ist ein Votum für nationale Eigenständigkeit und – aus heutiger Sicht – gegen die Werktreue33
33
Die Auffassung, Opern nur in Originalsprache aufzuführen, ist bei weitem nicht so alleingültig, wie es der heutige Schallplattenmarkt und die Praxis der großen Opernhäuser suggerieren. So wurden zum Beispiel alle von Arturo Toscanini in Italien und Südamerika geleiteten Aufführungen in Italienisch gesungen, ohne Rücksicht auf ihre Originalsprachen (vgl. Harvey Sachs, Arturo Toscanini, München 1980, S. 11).
, für Volksverbundenheit und gegen die Reservierung der Oper allein

Erste Seite (i) Vorherige Seite (24)Nächste Seite (26) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 25 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang