- 60 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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»(Auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Componisten unterbleiben alle musikalischen und programmatischen Äußerungen. Dr. W. R.)«

Es erscheinen nur noch die Satzüberschriften und die Gesangstexte. Der Schluß liegt nahe, daß die Texte zur früheren Aufführung der Zweiten dem Komponisten besonders mißfallen haben. Deshalb seien sie hier vollständig wiedergegeben (siehe die folgenden Seiten)18

18
Für die Recherche und die Zusendung der Dokumente bedanke ich mich bei Frau Brigitte Euler vom Historischen Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden.
.

Mahlers ablehnende Haltung zu Konzertführern erläutert Richard Specht, der Vertraute Mahlers, der selbst zu verschiedenen Werken solche Einführungen verfaßte. Mahler hat die Analysen von Richard Specht besonders geschätzt, wie Paul Stefan im Mahler-Heft des Anbruch 1920 bekundete19

19
Paul Stefan, Mahlers Freunde, in: Musikblätter des Anbruch 2 (1920). S. 289.
. In der Vorbemerkung zu seinem Führer zur Achten Symphonie schreibt Specht: »Die vorliegende Analyse ist, so paradox es klingen mag – auf Gustav Mahlers Wunsch aber gegen seinen Willen verfaßt worden. Gegen seinen Willen: weil er diese musikalischen Vivisektionen haßte, weil ihm nur am Ganzen eines lebendigen Eindruckes, niemals aber an der Zerfaserung der thematischen Zusammenhänge gelegen war. Auf seinen Wunsch aber ist diese kleine Schrift entstanden, weil er es schließlich nicht hindern konnte, daß allerlei ›Führer‹ zu seinen Werken geschrieben wurden, weil er über die meisten dieser Führer in hellen Ärger ausbrach und wenigstens vor allzu schlimmem Mißverstehen seiner künstlerischen Intentionen, vor allzu bedenklichem Irreleiten der Hörer – wie dies wiederholt geschehen war – bewahrt sein wollte. Deshalb verlangte er, daß einer, von dem er wußte, wie er zu ihm stand, die thematische Analyse der ›Achten‹ schreibe und richtete – wie zuvor schon bei der sechsten und siebenten Symphonie – den Wunsch an mich, ich möge diese Aufgabe übernehmen. Es war der letzte Wunsch, der von Mahler zu mir kam und es war mir Pflicht, ihn zu erfüllen.«20
20
Richard Specht, Mahler. VIII. Symphonie. Thematische Analyse. Wien 1912, S. 2.

Eine Reihe solcher Analysen stammten von dem Musikwissenschaftler Ernst Otto Nodnagel. Mahler bezeichnete ihn als seinen »geborenen Johannes«21

21
1896, Mahler, Unbekannte Briefe, S. 125.
, eine Anspielung auf den biblischen Johannes den Täufer, der Jesus den Weg bahnte. In Briefen an Alma äußert er sich durchaus positiv über ihn.22
22
Mahler, Briefe an Alma, S. 224 und 233.
Dessen Arbeit zur Dritten Symphonie kommentiert er in einem an sie gerichteten Brief von 2. Februar 1904: »Der unvermeidliche Nothnagel [sic] hat eine gräßliche Analyse verfaßt und schwärmt wie ein Mädchen.«23
23
Mahler, Briefe an Alma, S. 185.
Die Analyse Nodnagels zur Zweiten Symphonie hat er positiver bewertet, weil darin die Deutung eines begrifflichen Ideengangs in den Prozeß der musikalisch-technischen Erläuterung stärker eingeflossen ist. Wie Peter Revers nachgewiesen hat, treffen diese »Führer« dann auf Mahlers Zustimmung, wenn sie inhaltliche oder ideelle Deutungen in Verbindung zur musikalisch-formalen Gestalt liefern, was er idealtypisch am ehesten in den Arbeiten von Constantin Floros vorfindet.24
24
Peter Revers, Gustav Mahler und die Formanalyse: Reflexionen über ein gestörtes Verhältnis, in: Gustav Mahler Kolloquium 1979, S. 96–101.
Demnach liegt es nahe, daß die oben abgedruckte »Analyse« von

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