- 26 -Heise, Walter: die Bringer Beethovens 
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Obwohl das mit der Beethoven-Rezeption verbundene Gedankengut hinreichender Anlaß für ein Gedicht von der Art der "Bringer Beethovens" hätte sein können, deuten Reiner Kunzes vielfältige Äußerungen zu seiner Dichtung -nicht zuletzt aber seine Arbeiten selbst- darauf hin, daß der Sinngehalt des Gedichtes auf einer allgemeineren Ebene aufzusuchen ist. Der thematische Vorwurf, der dem in musikgeschichtlichen Zusammenhängen Bewanderten besonders entgegenkommt, würde für viele Leser unverständlich bleiben, denen die Wirkungsgeschichte der großen Beethoven-Sinfonien, -insbesondere aber der 5. Sinfonie-, unbekannt ist.

Die "Bringer Beethovens" entstanden in zeitlicher Nähe zum Bau der Berliner Mauer. Der Gedanke, hier einen möglichen Anlaß für das Gedicht zu sehen, liegt deswegen nahe, weil die Errichtung des "demokratischen Schutzwalls" nicht ohne die bestätigende Rundfunkübertragung einer Beethoven-Sinfonie verlief, (womit nur ein weiteres Glied inder Kette von "Beethoven-Benutzungen" durch Staatswesen aller Art und in aller Welt geliefert wurde.)

Reiner Kunze hat diesen Zusammenhang nicht bestätigt. Er schreibt:
"...von einem Anlaß zu den "Bringern Beethovens" kann ich nicht sprechen, es waren ungezählte und den verschiedenen Lebensbereichen entspringende Anlässe, die eines Tages die Vision aufkommen ließen zu den "Bringern Beethovens". Ich mußte zu oft erleben, wie man mit dem Besten, das Menschen hervorgebracht haben, Menschen töten kann...[21]

Diese Aussage bedarf keiner weiteren Interpretation.

Statt dessen sei ein anderer Autor zitiert, der Ähnliches in anderem Kontext aus
führt:

Die Freiheit kann nicht identifiziert werden mit dem Guten, mit der Wahrheit, mit der Vollkommenheit.
Die Freiheit hat ihre eigene selbständige Natur, die Freiheit ist Freiheit und nicht das Gute.
Und eine jede Vermengung und Identifizierung der Freiheit mit dem Guten und der Vollkommenheit selbst ist eine Verneinung der Freiheit, ist ein Bekenntnis zu Gewalt und Nötigung.
Das zwangsweise Gute ist schon nicht mehr das Gute, es wird so zum Bösen.

N.Berdjajev, Die Weltanschauung Dostojewskijs [22]

__________
[21] Brief an den Verf. vom 14. 3. 1978 (vgl. Anhang II)
[22] München 1925, 54; zit. bei: P. Watzlawick et al., Menschliche Kommunikation, Bern 4/1974, 184f, Anm.8

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