1Bukarest 1917–1934»Was willst du, ich bin ein berühmter Mensch geworden!!«11.1 Das ElternhausLipatti wächst zusammen mit seinem sechs Jahre jüngeren Bruder Valentin in groß-bürgerlichen Verhältnissen auf. Die Familie besitzt Ländereien und ist Teil des kauf-männischen, aber noch feudal geprägten Bürgertums. Der Vater Theodor Lipatti (1872–1947) ist Jurist und als Diplomat im Staatsdienst tätig. Bereits vor dem ersten Weltkrieg aus dem Berufsleben zurückgezogen und aus erster Ehe verwitwet, wirkt er auf Valentin eher wie ein Großvater,2 »seinem Land und Boden, den traditionel-len Werten verhaftet.«3 Valentin beschreibt ihn außerdem als melancholischen,4 doch »geistreichen und intelligenten Mann von erlesener Kultur«5 und fügt hinzu: »In sehr vieler Hinsicht fanden sich die Züge seines Temperaments und Charakters in denen Dinus wieder«.6 Angesichts des gegensätzlichen Wesens der deutlich jün-geren, extrovertierten Mutter stellt Valentin die häusliche Atmosphäre als konflik-treich und spannungsgeladen dar: »Alles trennte die beiden, außer die tiefe Liebe zu ihren Kindern«.7 Anna Lipatti (1887–1973), geborene Racoviceanu als Tochter ei-nes Offiziers aus Slatina, Oltenien, ist Absolventin der Natur- und Literaturwissen-schaften. Beide Eltern sind begabte Amateurmusiker. Die elterliche Sorge gilt vor allem Dinus schwacher Gesundheit, einer Kypho-skoliose8 und Anfälligkeiten, unter denen er seit seiner Geburt leidet. Physisches Privileg ist hingegen die ungewöhnlich große Handspanne Lipattis, mit der er spä-ter als Pianist eine Duodezime greifen kann. Jährliche Erholung findet die Familie auf ihrem Landsitz in Fundățeanca und genießt dort ländliche Ursprünglichkeit und einfaches Naturempfinden als Kontrast zum mondänen Bukarest: »Fundățeanca war der Ort aller Zaubereien, der Ort von Musik und Lektüre, der durchrittenen Wälder, der Nächte bei Vollmondschein […], der authenti-1Brief vom 16.06.1933 an Lipattis Freund Miron Șoarec, in: Șoarec, 1981, S. 20; »Mă rog, am devenit un om important!!«2Vgl. V. Lipatti, 1994, S. 10.3A.a.O., S. 11; »legat de țară și de pămîntul ei, de valorile tradiționale«. 4Vgl. ebd.5A.a.O., S. 12; »un om spiritual și inteligent, de o cultură aleasă«.6Ebd.; »În foarte multe privințe, trăsăturile sale temperamentale și de caracter se regăsesc la Dinu Li-patti.« 7A.a.O., S. 13; »Totul îi separa, în afară de iubirea profundă pentru copii.«8Zweifache Wirbelsäulenverkrümmung.