16Bukarest 1917–1934schen Freuden. […] Fundățeanca war Norocel, ein Hund mit dichtem, schwarz glänzendem Haar, […] war unsere natürliche Kindheit, unvorhersehbar und immer dieselbe.«9Als Teil des arrivierten Bukarester Bürgertums werden die Kinder von ausgewähl-ten Privatlehrern unterrichtet, bewegt sich die Familie in intellektuellen Kreisen und birgt damit optimale Vorraussetzungen für die maximale Förderung der außer-ordentlichen Begabung Dinu Lipattis. Von Kind an nimmt er am Musikleben der Hauptstadt teil, das ihm mit Oper und Philharmonie, Gastspielen der westeuropäi-schen Avantgarde, Tziganes10- und Salonorchestern, halböffentlichen Hauskonzer-ten sowie Grammophon- und Radioabenden einen Querschnitt gegensätzlicher Sparten regionaler wie internationaler Musikkultur bietet.111.2 Rumänien als kulturelle Schnittstelle zwischen Okzident und Orient In Rumänien verbinden sich vielschichtige Einflussbereiche, zu deren besserem Ver-ständnis es an dieser Stelle einer kurzen Darstellung der geschichtlichen und politi-schen Entwicklung des Landes bedarf.12 Die griechische Erschließung der Schwarzmeergebiete, die Besiedelung durch die Römer und überwiegend romanische Sprachgebung, Jahrhunderte unter osma-nischer Herrschaft, Zeiten von russischer Eroberung sowie politische und kulturelle Annäherung an Westeuropa hinterlassen ihre Spuren. Die altslawische Bezeichnung »Walachen« für das romanische Volk wird zum prägenden Begriff für eines der bei-den ab dem 14. Jahrhundert etablierten Fürstenhäuser, die Walachei und die Mol-dau, die erstmalig unter dem mythisch überhöhten Herrscher Mihai Viteazul »dem Tapferen« 1599 mit Siebenbürgen vereinigt wurden. Nach einer kulturellen Blüte-zeit unter Fürst Constantin Brâncoveanu (1688–1714)13 wurden die Gebiete in der Folgezeit wiederum aufgrund wechselnder Eroberung durch Russland, das osmani-sche Reich und die österreich-ungarische Monarchie entzweit und als Ergebnis des Krimkrieges (1853–56) unter die Garantie der europäischen Zentralmächte, vor al-lem Frankreichs, gestellt. Erst 1859 kommt es unter dem damaligen moldauischen9V. Lipatti, 1994, S. 18; »Fundățeanca era locul tuturor vrăjilor, locul muzicii și al lecturii, al pădurii străbătute călare, al nopților cu lună plină […], al bucuriilor autentice. […] Fundățeanca era Norocel, un cîine cu părul negru lucios și gras, […] era copilăria noastră firească, imprevizibilă și mereu aceeași.«10Im Folgenden wird das rumänische Wort »Țigani« verwendet, vgl. auch III.1.3 »Die Lăutari«. 11Vgl. z. B. Șoarec, 1981, S. 29/30, wo dieser u. a. über eine legendäre Schallplattensammlung des Buka-resters Apostol Apostol als Anziehungspunkt für die Musiker in Bukarest schildert. 12Vgl. auch III.2.2.13Bis heute ist das Bukarester Stadtbild auch von dem nach ihm benannten ornamentreichen Architek-turstil geprägt.