2Paris 1934–1939»Die Virtuosität bereitet dir genug Freude, aber nur für kurze Zeit. […] Mit der Komposition hingegen ist es etwas anderes: was du erarbeitest, bleibt für immer. […] Mit einem Wort: Momentan bin ich völlig der Komposition zugewandt.«12.1 StudiumZwischen 1934 und 19392 studiert Lipatti an der École Normale de Musique, die er als sein »Gravitationszentrum«3 bezeichnet, Klavier bei deren Mitbegründer Cortot und seiner Assistentin Yvonne Lefébure; Komposition belegt er bei Paul Dukas so-wie nach dessen Tod 1935 bei Nadia Boulanger und Igor Strawinsky.4 Später tritt er auch den Kursen von Charles Münch (Orchesterleitung) und Diran Alexanian (Kammermusik) bei, über die er seinem Freund Șoarec am 25.03.1935 schreibt, sie seien »extrem interessant, und ich hoffe, dass sie mir allgemeinmusikalisch einen Dienst erweisen.«5 Als Dirigent tritt er dagegen kaum in Erscheinung, worüber er später sein Bedauern äußert: »Le métier de chef d’orchestre a été un de mes grands désirs, que je n’ai pas pu réaliser, ayant donné tout mon temps au piano et à la com-position qui sont assez difficiles à poursuivre ensemble.«6 Das Verhältnis zu Dukas ist ambivalent. Der gegenseitigen Verehrung stehen in konkreter kompositorischer Hinsicht divergierende Auffassungen gegenüber, die vor allem die Legitimation der Verarbeitung volksmusikalischer Elemente betreffen, 1Brief vom 14.08.1935 an Miron Șoarec, a.a.O., S. 42; »virtuositatea îți dă destule bucurii dar pentru scurt timp. […] Pe cîtă vreme cu compoziția e altceva: ce lucrezi rămîne pentru totdeauna. […] În-tr-un cuvînt: acum sînt cu totul înclinat către compoziției.«2Der Studienaufenthalt wird zweimal durch Reisen nach Rumänien unterbrochen, von Juli 1936 bis Anfang Februar 1937 und vom Herbst 1937 bis zum 10.12.1937.3Brief vom 13.12.1934 an Miron Șoarec, in: Șoarec, 1981, S. 32; »centrul meu de gravitație«.4Strawinsky erteilt im Winter 1935/36 Kompositionsunterricht an der École Normale de Musique, was jedoch einen Ausnahmefall darstellte, da er erklärtermaßen sonst nie Kompositionslehrer gewesen ist und sich nicht als solcher verstand. Vgl. Strawinsky, Igor: Gespräche mit Robert Craft, Mainz / Zü-rich, 1961, S. 191f.5Brief vom 25.03.1935 an Miron Șoarec, in: Șoarec, 1981, S. 58; »Sînt extrem de interesante și sper să-mi facă un real serviciu din punct de vedere general muzical.«6In: Nicoară, Adriana, De vorbă cu Dinu Lipatti, Bukarest 1941, zit. nach Bărgăuanu / Tănăsescu, 1991, S. 59; »Dirigent zu werden, war ein großer Wunsch von mir. Leider konnte ich ihn nicht ver-wirklichen, da ich meine ganze Zeit dem Klavier und der Komposition gewidmet habe, die sich schon schwierig genug miteinander vereinbaren lassen.« In einem Radiokonzert in Bukarest dirigiert Lipatti am 16.04.1940 von J. S. Bach das Dritte Brandenburgische Konzert und das Konzert für zwei Klaviere C-Dur.