28Paris 1934–1939Boulanger, bei der sich »la fleur du monde musical«32 trifft, führt Lipatti in den Sa-lon der musikalisch gebildeten und gesellschaftlich einflussreichen Prinzessin Ed-mond de Polignac33 ein. Dort macht er u. a. die Bekanntschaft mit der rumänischen Pianistin Clara Haskil (1895–1960), welche die erste Begegnung folgendermaßen schildert: »Indessen kam an einem der musikalischen Abende der Prinzessin de Poli-gnac, in ihrem Palais in der Rue Cortembert, ein ebenso schüchterner junger Mann wie ich auf mich zu und sagte: ›Ich habe Sie in Bukarest gehört.‹ Es war Dinu Lipatti. […] Von diesem bedeutungsvollen Tage an sahen wir uns täglich und telephonierten bisweilen bis Mitternacht.«34 In der Pariser wie auch in der Genfer Zeit werden Haskil und Lipatti Kammermu-sikpartner und enge Freunde. Ein Charakterzug der künstlerischen Bescheidenheit kennzeichnet beide, wie in der Überzeugung Haskils zum Ausdruck kommt: »Er hätte sich nie verziehen, sich einzugestehen, daß er Genie besaß.«35 Und Arthur Ho-negger schildert die Selbstskrupel Lipattis gegenüber Haskil:»In einem Konzert, das er mit Paul Sacher in Sils Maria gab, konnte ich den Schock und die Aufregung wahrnehmen, die ihn erfassten, als er kurz vor sei-nem Auftreten – er sollte das Klavierkonzert in Es-Dur von Mozart spielen – erfuhr, daß Clara Haskil im Saal sei, ›sie, die dieses Konzert so spielt wie kein anderer‹.«36Umgekehrt schreibt Haskil1939: »Immer wenn ich etwas spielen möchte, erinnere ich mich daran, wie Sie es vorgetragen haben oder vortragen würden – und ich gebe auf«.37 Dabei ist beider interpretatorische Herangehensweise stark voneinan-der abweichend, worüber u. a. ihre Partituren Aufschluss geben, die bei Lipatti über minutiöse Eintragungen von einer detaillierten Textarbeit zeugen, während Haskil selbst kammermusikalische Werke auswendig erarbeitet, überwiegend von Intui-[…] Dinu – proveniente da una famiglia molto benestante – arrivava a scuola in automobile, ma la nascondeva sempre in una strada vicina per non mettere in imbarazzo noi, meno fortunati […]. Sem-pre in quegli anni, rammento di aver partecipato ad un Festival di musica contemporanea romena in cui suonai un trio di Lipatti con lui e Lola Bobescu: si trattava di un bel lavoro, dal linguaggio molto avanzato a quell’epoca. […] ultima volta che lo vidi era in un letto, nella clinica di Montana; […] ma ad un certo punto sorrise e aggiunse: »Lors’que je serai à la maison, je veux écrire une belle Sonate pour nous deux!« Ed è una perdita per tutti che gliene sia mancato il tempo.«32A. Lipatti, 1967, S. 44.33Vgl. III.2.6.2 »Französische Einflüsse auf die zweite Generation der rumänischen Schule«.34Zit. nach Gavoty, Bernard: Clara Haskil, Genf 1962, S. 19.35Ebd.36Honegger, Arthur: Nachklang. Schriften, Photos, Dokumente, Zürich 1957, S. 84 (französisches Origi-nal in: M. Lipatti, 1970, S. 75/76).37Brief vom 18.08.1939 an Lipatti, veröffentlicht in Steegmann, Monica / Rieger, Eva (Hrsg.): Frauen mit Flügel, Frankfurt / Leipzig 1996, S. 262.