46Genf 1943–1950 (dans cette dernière ville un récital au bénéfice de la Croix-Rouge internatio-nale).«7Darüber hinaus wird aus gesundheitlichen Gründen8 ein längerer Aufenthalt er-zwungen; so hält Lipatti hält sich Anfang 1944 zu einem dreimonatigen Kuraufent-halt in Montana auf. Freundschaften mit Musikerpersönlichkeiten und das auch durch Exilanten be-reicherte Kulturleben festigen seinen Wunsch, sich in der Schweiz niederzulassen, zumal Madeleines Familie ursprünglich aus Genf stammt. Madeleine betont Lipat-tis Vorliebe für die Schweiz, die nicht zuletzt den Ordnungsprinzipien seines Arbei-tens entgegengekommen sei: »son sens du devoir, son amour de la ›chose parfaite‹trouvaient ici leur climat. Et puis, disait-il souvent: ›Ici, on peut travailler.‹«9 Zunächst jedoch ergeben sich aufenthaltsrechtliche Komplikationen und die Fra-ge nach einer finanziellen Existenzgrundlage. Anfang 1944 erhält Lipatti jedoch vom Direktor des Genfer Konservatoriums, Henri Gagnebin, das Angebot einer Pro-fessur für die pianistische Meisterklasse und so tritt er die Nachfolge des verstorbe-nen Alexandre Mottu an. Durch dieses feste Engagement bekommt der Schweizer Aufenthalt auch in zeitlicher Hinsicht eine verbindliche Dimension. Offen bleibt, in-wiefern Lipatti bereits von Bukarest aus eine endgültige Niederlassung in der Schweiz erwogen hatte. Die politische Lage hatte sich auch in Rumänien als Teil der Achsenmächte seit der Vernichtung der deutschen und rumänischen Truppen in Stalingrad im Februar 1943, der Niederlage der deutschen Wehrmacht in Nordafri-ka und schließlich der Kapitulation Italiens Anfang September 1943 gewendet. Eine früher oder später bevorstehende Offensive Russlands auf Rumänien wird abseh-bar, gerade angesichts der vor dem Zweiten Weltkrieg schwelenden Gebietskonflik-te. Es gibt sogar bereits Pläne zur Evakuierung national bedeutsamer Künstler in die Schweiz.10 Rückblickend fasst Lipatti selbst die Situation mit den knappen Wor-ten zusammen »étant tombé malade pour presque un an et étant nommé professeur7Brief vom 04.11.1943 an Mihail Jora, zit. nach Bărgăuanu / Tănăsescu, 1991, S. 82; »Für zehn Tage nur bin ich am 4. September von Bukarest aufgebrochen und heute sind es zwei Monate künstlerischen Vagabundierens. Ich habe in Schweden, in Finnland, in Wien gespielt, und jetzt, nach einer ersten Tournee in der Schweiz, bin ich von neuem für eine Reihe von fünf Konzerten in Bern, Zürich und Genf (in der letzten Stadt ein Benefiz-Recital des Internationalen Roten Kreuzes) engagiert worden.« 8Aus einem Brief Lipattis an Brăiloiu geht hervor, dass er die ersten Anzeichen seiner Krankheit auf 1941 datiert, vgl Brief vom 25.06.1950 an Constantin Brăiloiu, Muzica 4/2003, S. 73.9M. Lipatti, 1951, S. 18; »Sein Pflichtbewußtsein, seine Liebe zur Vollkommenheit fanden hier ihr Kli-ma. Und außerdem sagte er oft: ›Hier kann man arbeiten.‹« Dass die Schweiz sowohl politischen Flüchtlingen als auch zahlreichen nicht verfolgten Künstlern während des Zweiten Weltkrieges als Refugium, das privaten Rückzug von den Kriegsereignissen und künstlerisches Weiterarbeiten er-möglichte, diente, galt auch für rumänische Intellektuelle. Clara Haskil, der als verfolgter Jüdin in letzter Minute die Flucht aus dem von Deutschland besetzten Nordteil Frankreichs gelingt, lässt sich in Vevey am Genfer See nieder.10Vgl. III.2.3 »Die Herausbildung einer nationalen kulturellen Identität«.