62Genf 1943–1950 touchante et chaleureuse.«100 Doch zugleich strahlt er Zuversicht aus: »Néanmoins, je vous dirai que le 9 octobre, j’espère donner un récital à Zurich, et quelques jours plus tard, partir pour Londres pour deux concerts et un enregistrement avec or-chestre. […] mon état actuel de santé est excellent«101 – auch wenn er hinzufügt, dass er diese Saison sehr wenig konzertieren wird, um den Heilungsprozess der letzten Monate nicht zu gefährden. Zehn Tage vorher verspricht er Georges Schwob Karten für ein nicht mehr zu Stande kommendes Recital am 25. September.102 Selbst nach schwerer Krise plant er am 24.09. neue Konzerte,103 so dass dem Recital von Besançon erst rückwirkend die Bedeutung eines bewussten musikalischen Ab-schieds angesichts des frappierenden Gegensatzes zwischen Lipattis schwachem Gesundheitszustand und seiner lebendigen musikalischen Ausstrahlung zugewie-sen wurde.104 Nach vereinzelten Plattenaufnahmen aus den 30er Jahren, bei denen sich Lipatti im Bewusstsein seiner künstlerischen Verantwortung noch skeptisch angesichts des bleibenden Tondokuments geäußert hatte,105 beginnt er in den 40er Jahren mit sys-tematischen Einspielungen seines Repertoires. Walter Legge, leitender Produzent der EMI Records Ltd., nimmt Lipatti 1946 unter Vertrag. Neben Testaufnahmen in Zürich zusammen mit Antonio Janigro finden die ersten vier Aufnahmesitzungen während der folgenden Jahre in London statt, doch die letzten Einspielungen vom Sommer 1950 entstehen aus Krankheitsgründen in Genf. Legge war von Lipattis Hausarzt Dubois-Ferrière über die erstaunliche Besserung von Lipattis Gesund-heitszustand durch die Cortisonbehandlung unterrichtet worden und hatte die lau-fenden Casals-Einspielungen in Prades unterbrochen, um diese Chance zu nutzen. Er erinnert sich an einen dieser Aufnahmeabende:»If ever a player was inspired it was Dinu this evening. […] when shortly be-fore midnight the exhausted engineers were trudging weariliy in search of a meal, Dinu, the freshest of us all, played ›Stormy weather‹. […] He had such a complete physical mastery that he was by nature the ›cleanest‹ player I have 100Interview mit Magnenat vom 27.09.1950, CD TAH 2.366–2.367; »Aber eine Stunde vor dem Konzert war ich so schwach, dass ich in Betracht ziehen musste, nur den ersten Teil meines Recitals zu spie-len. Aber einmal auf der Bühne, habe ich es ganz gegeben, unterstützt von einer bewegenden und warmherzigen Atmosphäre.«101Ebd.; »Nichtsdestoweniger werde ich Ihnen sagen, dass ich hoffe, am 9. November ein Konzert in Zürich zu geben und einige Tage später nach London zu fahren für zwei Konzerte und einer Einspie-lung mit Orchester. […] Mein aktueller Gesundheitszustand ist exzellent«.102Vgl. Brief vom 19.09.1950 an Georges Schwob, Gendre, 1980, S. 206.103Vgl. Brief vom 24.09.1950 an Georges Schwob, a.a.O., S. 207.104Die Verklärung dieses Konzertes ist jedoch auch kritisch rezipiert worden, vgl. z. B. Meyer, 1978, S. 609: »Dieser Klavierabend hat deshalb Geschichte gemacht, weil sich Bewusstheit mit Unterbe-wusstem eingelassen hat. Und nicht, weil da einer, ein hochbegabter, 33jährig seine Schlußworte hin-terläßt. […] Was zählt, ist eine musikalische Lektion, die […] die Verbindung von Objektivität und Subjekt gültig realisiert.« 105Vgl. Bărgăuanu / Tănăsescu, 1991, S. 55: »Au début, Lipatti, qui n’était pas sûr que les disques corre-spondaient à son idéal d’interprétation, refusait toute demande.« »Anfangs wies Lipatti, der unsicher war, ob die Platten mit seinem Interpretationsideal übereinstimmen würden, jede Anfrage zurück.«