68Kennzeichen der Volksmusik in Rumänien1.1 Definitionen und problematische Implikationen des Begriffes »Volksmusik« Den Begriffen »Volksmusik« und »Folklore« kommen in der musikwissenschaftli-chen Auseinandersetzung, zumal in unterschiedlichen Sprachen und Schulen, di-vergierende Definitionen und Implikationen zu. Im Deutschen werden beide Begrif-fe sowohl synonym als auch voneinander abgegrenzt verwendet.3 Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Bezeichnung der Folklore im deutschsprachigen Raum nicht einheitlich durchgesetzt habe bzw. unterschiedliche Deutungen erfahre. Einerseits könne darunter die gesamte Volksliedtradition und -neuschöpfung verstanden werden, einschließlich der Schlagerproduktion und aller Formen der Unterhaltungsmusik; andererseits jedoch setze sich die Auffassung durch, den Begriff der Folklore nur für Musik außerhalb der deutschen Sprachgrenze oder sogar nur für die Musik außereuropäischer Völker zu verwenden.4 Eine andere, negativ konnotierte Definition versteht unter »Folklore« gerade die Entfremdung der Volksmusik von ihrer ursprünglichen Genese in der Bevölkerung, nämlich ent-weder die Aufführung von Volkskultur außerhalb ihres ursprünglichen Kontextes oder außerhalb ihrer Sozialschicht, etwa bei Festzügen und Festivals, oder die Erfin-dung von volkstümlicher Musik zu anderen als traditionsgebundenen Zwecken.5Brăiloiu verweist auf die Unschärfe des Bezugsbegriffes »Volk«: »The nation as delimited by its political frontiers? Or the demographic units enclosed within these frontiers […]? Or does it imply the race, revealed by strinking common traits, stretching beyond the national territories and outlining, over and above the state frontiers […]?«6 Gegenüber dem Begriff der Folklore wird der der »Volksmusik« bzw. »Folk mu-sic«, »musique populaire«, »muzica populară« europaweit einheitlicher definiert. Über den Bezugsbegriff »Volk« ist hier die Musik der Bauern bzw. der ländlichen Bevölkerung gemeint, teilweise versehen mit dem Zusatz »traditionell«,7 »auto-3Die MGG. Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, erste (1955) und zweite (1996) Ausgabe, verzichtet sogar gänzlich auf einen Eintrag zur Folklore oder Volksmusik. 4Vgl. Brockhaus Riemann Musiklexikon, hrsg. von C. Dahlhaus / H. H. Eggebrecht, 41992, Bd. 2, S. 67; Klusen, Ernst: Folklore, in: Honegger, Marc / Massenkeil, Günther (Hrsg.): Das große Lexikon der Musik in 8 Bänden, Bd. 3, Freiburg 1982, S. 123; Wachsmann, Klaus: Folk music, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, edited by Stanley Sadie in twenty volumes, Bd. 6, London 1980, S. 693.5Vgl. Moser, Hans: Vom Folklorismus in unserer Zeit, in: Zeitschrift für Volkskunde, i. A. des Verban-des der Vereine für Volkskunde hrsg. von H. Dölker, M. Hain u. a., Jg. 58, 1962, S. 177ff. »Folklore« werde demnach von den höheren Klassen zu kommerziellen, romantischen, aber auch politischen, oder aber, wie im Gefolge der Aufklärung, zu Erziehungszwecken kultiviert, so dass »folkloristisch« zunehmend mit »volkstümlich« gleichgesetzt werde (a.a.O., S. 186).6Brăiloiu, Musical Folklore (Zürich 1948), in: Ders., Problems of Ethnomusicology, edited and trans-lated by A. L. Lloyd, Cambridge 1984, S. 1.7Vgl. z. B. Pegg, Carole: Folk music, in: The New Grove. Dictionary of Music and Musicians, second Edition, Bd. 9, London 2001, S. 67: »For European Countries, the dictionary distinguishes between ›art‹ music […], ›folk‹ or ›traditional‹ music and ›popular‹ music.«