1.2 Forschungsstand zur Zeit Lipattis75»städtischer Volksmusik«,52 da diese in ihrem mehr unterhaltenden als brauch-tumsgebundenen Interesse im ländlichen und städtischen Umfeld unterschiedlich ausgeprägte, häufig disparate Stilelemente aus verschiedenen Zeiten und Regionen sowohl der bäuerlichen Lebenskultur als auch neuerer Einflüsse vor allem der Tanzmusik assimiliert und auch zu neuen Gattungen verbindet und vermischt. An Stelle der brauchtumsgebundenen Bauernmusik konzentriert sich das konzertantere Spiel der Lăutari vor allem auf die Begleitung von Tanzmusik zu Dorffesten und Hochzeiten.Auch der rumänische Musikwissenschaftler und Komponist Zeno Vancea (1900–1990) trifft die Unterscheidung zwischen der »rumänischen Bauern- und Hirtenmu-sik« und der »von den Zigeunerkapellen gepflegten rumänischen Volksmusik, also Melodien, die, von der fast durchwegs einstimmigen Bauernmusik abweichend, schon ursprünglich eine gewisse harmonische Struktur besitzen.«53 Enescu be-schreibt auf verklärende Weise musikalische und atmosphärische Besonderheiten:»Très doués pour la musique, ils auraient assimilé les airs et les danses des pays où ils séjournaient, et même enrichi de fonds populaire autochtone […]. Mais il n’y a, essentiellement, aucun trait commun entre l’art composite des Tziganes et la musique populaire roumaine […] de simples paysans roumains […]. La musique populaire roumaine distille une étrange mélancolie. Encore ne suis-je pas certain que le mot mélancolie soit absolument juste. Pour moi, cette musique est avant tout celle du rêve, parce qu’elle revient obstinément vers le mineur, qui est la couleur même de la rêverie nostalgie.«54 52Z. B. in Bartók, Béla: Die Volksmusik der Magyaren und der benachbarten Völker, Berlin / Leipzig 1935, S. 4.53Vancea, Zeno: Der Chopin-Schüler Carol Mikuli, ein Bindeglied zwischen rumänischer und polni-scher Musikkultur, in: Lissa, Zofia (Hrsg.): The book of the first international Musicological Congress devoted to the works of Frederick Chopin, Warschau 1960, S. 411.54In: Gavoty, Bernard: Les Souvenirs de Georges Enesco, Paris 1955, S. 39f.; »Sehr musikbegabt, hätten sie die Weisen und Tänze der Länder, in denen sie sich aufhielten, assimiliert und noch bereichert aus dem autochthonen volksmusikalischen Fundus […]. Aber es gibt im Wesentlichen keine Gemein-samkeit der Kompositionsweise der Țigani und der rumänischen Volksmusik […] von einfachen ru-mänischen Bauern […]. Die rumänische Volksmusik enthält eine eigenartige Melancholie. Dabei bin ich nicht ganz sicher, ob das Wort Melancholie ganz zutreffend ist. Für mich ist diese Musik vor al-lem die des Träumens, weil sie beständig auf das Moll zurückkommt, das selbst die Farbe des nostal-gischen Träumens ist.«