76Kennzeichen der Volksmusik in Rumänien1.3 Die LăutariDie Bezeichnung »Lăutari« entstammt dem Ausdruck »Lăută«55 oder auch »Alăută«56 für die Geige57 als tragendes Instrument des Ensembles; im allgemeine-ren Sinne können auch andere Saiteninstrumente so benannt sein. Lăutari, auch »zi-calași«,58 »cântăreț sătesc« (Dorfsänger), »ceterași« (Geiger) oder »muzicant« ge-nannt, sind die beruflichen und seit Ende des 18. Jahrhunderts auch in Zünften zu-sammengeschlossenen Musiker, die auf dem Land und in Städten bei Hochzeiten, dem sonntäglichen Dorftanz »hora sătului« und anderen Familien- oder Dorffesten zum Tanz aufspielen. Sie sind zu etwa 90 Prozent Țigani, Roma, die schon seit ihrer Ansiedlung im »Tara românească« im 14. Jahrhundert als Musiker wirkten, sich bis 1848 allerdings wie Sklaven in Leibeigenschaft der Fürsten, Bojaren oder Klöster be-fanden. Nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit etablierten sie sich als sesshafte Tanz- und Konzertmusiker. »Um ihre Steuern abzahlen zu können, musizierten sie in benachbarten Dörfern, in denen sie jenes bäuerliche Repertoire darboten, das sie in den Herbergen und Herrensitzen kennengelernt hatten«,59 und das sie auf eige-ne, veränderte Weise tradierten.60 Ein Beispiel dafür ist die Anreicherung der funk-tionsgebundenen Volksmusik mit »Konzert«-Sîrbas und Horas »de ascultat«, »zum Hören«.61 Es entsteht eine eigene, kunstvolle Ausprägung der Volksmusik, bei der frei verschiedene regionale Besonderheiten, Instrumente und Aufführungsweisen verbunden und dem Publikumsgeschmack angepasst werden. Vermutlich waren die Lăutari auch maßgeblich für den Einfluss türkischer, griechischer62 und Klez-mer63-Elemente in die traditionelle Musik. Die Konzentration auf oral tradiertes Po-pularrepertoire unterschied die Lăutari ab dem 19. Jahrhundert von den akademi-55Viorel Cosma sieht in der Bezeichnung »Lăutar«, die sich gegenüber dem älteren, aus dem Russi-schen stammenden Begriff »scripcări« für den Spieler eines Saiteninstruments durchgesetzt habe (vgl. Cosma, Viorel: Lăutarii de ieri și de azi, Bukarest 1996, S. 10), den Beleg für okzidentale Einflüs-se im rumänischen Raum (vgl. a.a.O., S. 7); andererseits geht auch die Ethymologie ähnlicher Begriffe in westeuropäischen Sprachen, z. B. die des deutschen Wortes »Laute« letztendlich zurück auf das arabische »al ud«.56Breazul, George: Die Musikerziehung in Rumänien, 1936, S. 5.57Die Geige (»vioară«) kann regional unterschiedliche Bezeichnungen tragen: »Lăută« im Banat und in einigen Gegenden der Walachei, »alăută« in Südsiebenbürgen und Südmoldau, »ceteră«, »citeră« oder »tieceră« in Ostsiebenbürgen, »higheghe« oder »higheză« in Bihor oder »scripcă« in der Moldau – entsprechend unterschiedlich sind die daraus abgeleiteten Bezeichnungen für den Geiger. 58Das Verb »a zice« bedeutet neben »sagen« auch »singen« und »spielen«, z. B. »a zice din vioară« (»Geige spielen«). Ähnlich verhält es sich mit dem Verb »a cânta«, das neben »singen« auch »spielen« bedeuten kann: »a cânta din vioară«.59Nowka, 1998, S. 79.60Cosma betont, dass ihr Anteil an der Tradierung des musikalischen Brauchtums regional sehr unter-schiedlich sei, in den Städten größer als auf dem Land, in der Walachei und der Moldau sehr groß, während das musikalische Brauchtum in Transsylvanien und im Banat lange in der Hand der Bauern blieb (vgl. Cosma, 1996, S. 12f.).61Bis heute finden sich z. B. die Virtuosenstücke Ciocârlia und Hora staccato (letzteres allerdings eine Komposition von Grigoraș Dinicu 1889–1949 (1906)) immer wieder in den Repertoires.62Während der Fanariotischen Periode vom 16. bis ins 19. Jahrhundert.63Alexandru erwähnt eine Gilde jüdischer Lăutari in Iași, vgl. Alexandru, 1980 S. 141.