1.5 Gattungen der rumänischen Volksmusik 89[…] wie ein Ausruf, ein Seufzer, ein Stöhnen«;123 und auch für Alexandru ist sie »symbol of the most authentic ancestral poetry and music of the Romanians«,124 das mangels einer wissenschaftlichen Definition für jede Vokal- oder Instrumentalmelodie mit freiem und langgezogenem Rhythmus stehe. Friedwagner bezeichnet die Doina mit ihren »schwermütigen Melodien und oft ergreifenden Texten«125 als »Kern- und Glanzstück der rumänischen Volks-dichtung«,126 in der »alle heftigen Gefühle«127 ihren Ausdruck fänden, wie das ›Dorul‹,128 die Liebe, die Einsamkeit oder die Trauer. Ebenso könne sie jedoch heiteren Inhalts sein, dann nähere sie sich dem fröhlichen Tanzlied der Hora (»Cântec de veselie«) an.129 Auch Alexandru betont, dass die Doina trotz ihrer oft düster schwermütigen Themen keinen Pessimismus ausstrahle, weder deprimierend noch entmutigend wirke; vielmehr sei sie unmittelbares Echo früherer Lebensweise, ebenso aber Spiegel des jeweiligen zeitgenössischen Bewusstseins, das vielfältige Lebensthemen von Sorgen über Naturschönheiten bis hin zu Hochzeitsbräuchen ausdrücke und mitunter auch »poetry of outlawry«130 sei. Die Eingrenzung der musikalischen Kennzeichen der Doina gestaltet sich also aufgrund der Offenheit des Begriffs schwierig, da ihre Wandlungsfähigkeit ihr innewohnendes Prinzip ist. Tragendes Element ist die melismatische oder syllabisch auf einem Ton repetierende Melodiebildung, weshalb die Doina auch als »hora lunga« oder »Cântec lung« (»langer Gesang«), bezeichnet wird. Die Doina gilt als die melodische Urform für lyrische und epische Poesie wie für rituelle, zeremonielle Texte. Bartók vermutet ihren arabisch-persischen Ursprung, da er diese Liedform auch in persischen, arabischen und irakischen Gebieten nachweist.131 Zu Grunde liegen invariable melodische Elemente, die jedoch improvisatorisch frei verbunden werden. Umrahmt wird die aus dem Stegreif, aber, ähnlich dem arabischen Maqam, nach ungeschriebenen Regeln der Tradition bis ins Unendliche fortgesponnene Repetition und Transfiguration melodischer, reich ornamentierter Wendungen durch abgrenzende Introduktions- und Schlussformeln.132123Breazul, 1936, S. 4.124Alexandru, 1980, S. 50.125Friedwagner, 1940, S. XXII.126Ebd. 127Ebd.128Vgl. III.1.4 »Wurzeln der Volksmusik im rumänischen Hirtentum«.129Vgl. Friedwagner, 1940, S. XXII.130Alexandru, 1980, S. 53f.131Vgl. Bartók, 1935, S. 32. 132Vgl Alexandru, 1980, S. 50.