98Kennzeichen der Volksmusik in Rumänienwährend die epischen Formen der Balladen und Heldenlieder stärker im Flachland aufzufinden seien.157 Anders als die freien und improvisierten Formen von Doina und Ballade beruhen vor allem die neueren Lieder auf einfachen AB- oder AAB-Schemata mit meist oktosyllabischem Versaufbau in metrischer Regelmäßigkeit. Nur bei alten Liedern kommen parlando-rubato-Zeitmaße vor. Der Ambitus kann eine Oktave überschreiten, die Melodie ist klar strukturiert und weist nur selten Verzierungen auf. Wie bei den Colinda-Melodien und Balladen liegt keine verbindliche Text-Melodiebindung vor, sondern sie erfolgt durch den jeweiligen Sänger.158 Vor allem in Transsylvanien und im Banat finden sich pentatonische Leiterstrukturen. Alte modale Skalen werden unter dem Einfluss der Lăutari und der westeuropäischen Kunstmusik zunehmend vom Dur-Moll-System abgelöst, prägen jedoch noch einen Teil der Lieder. Charakteristisch ist z. B. die phrygische Schlussbildung:Notenbeispiel 14: »I-auzi dealul, I-auzi valea«, in: Alexandru, 1980, S. 173.1.5.7 Kinderlieder Constantin Brăiloiu widmet den »children’s rhythms« im Rahmen seiner nicht nur auf Rumänien bezogenen musikethnologischen Untersuchung einen ausführlichen Schwerpunkt, indem er sie als bedeutsames autonomes System neben den klassi-schen Rhythmen herausstellt. Weltweit sei bemerkenswert, dass Kinderlieder unge-achtet der linguistischen Unterschiede aller Sprachen weitgehend identisch aufge-baut, unzweifelhaft als solche erkennbar und damit universell seien.159 Damit sind sie auch ein wichtiger Teilbereich der rumänischen Volksmusik, mit einem eigenen, umfangreichen System von Tänzen, Liedern und Klangspielzeugen, gebunden an157 Friedwagner, 1940, S. XXI.158 Vgl. Brăiloiu, 1940, S. 151.159Vgl. Brăiloiu, Constantin: Children’s rhythms (Paris, 1956), in: Ders., 1984, S. 208.