1.7 Tonale Merkmale in der rumänischen Volksmusik 107Notenbeispiel 24: »Dorulie, di undi vii?«, in: Friedwagner, 1940, S. 96.Nowka weist darauf hin, dass die chromatisierten Tonleitern g-as-h-c-d-es-fis-g, die er in Anlehnung an Bartók »rumänische Skala«185 nennt, und g-a-b-cis-d-es-fis-g, also das häufig so genannte »Zigeuner-Moll«, aus der rumänischen Volksmusik und den Psalterechoi der byzantinischen Kirchenmusik stammen und erst später von den »Zigeuner«186-Lăutari aufgenommen und weiter, z. B. nach Ungarn, getragen wurden.187 Er führt die charakteristische Skala f-gis-a-h-c-d-es-f einer Flöte als weite-res Beispiel an.188 Durch die als übermäßig empfundene vierte Stufe der lydischen Leiter entsteht der für manche Melodien prägende Tritonussprung. Brăiloiu sieht darin eine Übernahme aus der slowakischen Musik, spricht aber auch von der Be-zeichnung »agricolae dictus«189 durch Guido d’Arezzo, »Bauernton«,190 der in vie-len Musikkulturen vorkomme. Nicht festgelegte, fluktuierende Tonstufen sind ein typisches Merkmal auch für die freie Gestaltung und untemperierte Intonation. Sie ergeben sich aus dem Bau des Instrumentariums,191 aus dem Verzierungsreichtum und aus dem freien Um-gang mit Leiterformen in der Vokalmusik mit ihren vokalen Färbungen. Diese Aspekte führen auch zu unterschiedlich praktizierten Überlieferungen des volks-musikalischen Repertoires: Bartóks Forschungsergebnissen zufolge »erscheinen Va-rianten bald mit großer Terz (Dur), bald mit kleiner, bald mit reiner, bald mit über-mäßiger Quart, nach Sängern und Ortschaften wechselnd.«192 Neben reich variierenden Skalen hat sich jedoch auch reine Pentatonik erhalten. Im folgenden Beispiel193 geschieht die Schlussbildung auf der zweiten Stufe der 185Nowka, 1998, S. 79.186Ebd.187Vgl. ebd. 188Vgl. a.a.O., S. 25. Vgl. z. B. das Intervall der übermäßigen Sekunde in Notenbeispiel 13.189Brăiloiu, Musical folklore, 1984, S. 34.190Moser, Hans Joachim: Kleine deutsche Musikgeschichte, Stuttgart 1949, S. 4.191Nowka nennt etwa die für einen Typus der rumänischen Flöte kennzeichnende Skala a-h-c’-es’-e’-f’ (Nowka, 1998, S. 25.)192Bartók, 1966, S. XVIII.193Siehe auch das pentatonische Notenbeispiel 14.