110Kennzeichen der Volksmusik in Rumäniencher Abfolge. Möglich sind verschiedene Rondo- und Reihungsformen wie AABB, ABAB, ABBA, ABBB, ABAC, AABC, ABCC, ABBC, ABCB oder ABCD. Während die Instrumentalmusik oft einen Ambitus von mehr als zwei Oktaven umfasst, bewegt sich dieser in den rituellen Melodien meist nur im Quint-, biswei-len auch im Quartrahmen. Die vorherrschende melodische Grundlinie ist abstei-gend. Wiederum muss zwischen der ursprünglichen Bauernmusik und der der Lăutari unterschieden werden. Während letztere, mitteleuropäisch und kunstmusikalisch beeinflusst, einen größeren Motivreichtum, größere Intervallschritte und teilweise eindeutige harmonische Bindungen aufweist, sind die älteren, rein monodisch emp-fundenen Gesänge der Bauern und Hirten von kleinschrittigen Melodieverläufen gekennzeichnet und beschränken sich auf ein Motiv je Vers. Die Melodien bewegen sich typischerweise in dem abgesteckten Rahmen eines Tetra-, Penta- oder Hexa-chords. Dieser Quart-, Quint- oder Sextrahmen wird in kleinschrittigen Tonfolgen ausgefüllt. Auf diese Weise gewinnen Quarte, Quinte bzw. Sexte und Sekunde als Strukturintervalle besondere Bedeutung, was einen markanten Unterschied zurterzorientierten Dreiklangsmelodik westlicher Musik darstellt. Erweiterungen bis zur Oktave oder darüber hinaus sind möglich, doch das eigentliche Spannungsfeld bleibt innerhalb des Pentachords. Typischerweise entsteht Sekundmotivik durch Umspielungen von Hauptton, dritter oder vierter Stufe: Notenbeispiel 28: »C’o născut«, in: Bartók, 1968, S. 28. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Editio Musica Budapest Music Publishing Ltd.Ein solches Kreisen um dieselben Tonfolgen, bei dem zwar die tonalen Zellen kon-stant bleiben, sich aber Akzent- oder rhythmische Verschiebungen ergeben, führt G. Firca als typische Figur in Kompositionen der nationalen Schule an, die dadurch die rumänische Volksmusik evoziere.199 Ein weiteres Beispiel für eine charakteristische Form der Sekundmotivik zeigt sich in einem lamentohaften Sekundfall mit vorheriger Tonrepetition:200199Vgl. G. Firca, 1996, S. 37.200Vgl. auch Notenbeispiel 3.