118Entwicklung der rumänischen nationalen Schuleentstammenden Kunstmusik. Dieser frühen Generation gehören in RumänienAlexandru Flechtenmacher (1823–1898), Eduard Wachmann (1836–1908), Eduard Caudella (1841–1924), George Stefănescu (1843–1925), Gavriilrian Porumbescu (1847–1903) und Ciprian Porumbescu (1853–1883). Die für diese Phase typische Pla-kativität findet sich jedoch auch bei Komponisten der Wiener Klassik oder als Kenn-zeichen der Romantik als Ausdruck »der Sehnsucht nach zeitlich und räumlich Fer-nem, dem Fremdartigen und Exotischen«2 ohne bewusst nationale Intention, etwa als »alla turca« oder »all’ungherese«. Hingegen steht die folgende Generation in der wiederum gesamteuropäischen Tendenz der Abkehr von der romantischen Aus-drucks- und Gefühlsästhetik: Etwa zeitgleich geboren werden Manuel de Falla (1876–1946), Béla Bartók (1881–1945), Zoltán Kodály (1882–1967), Igor Strawinsky (1882–1971), Gian Francesco Malipiero (1882–1973), George Enescu (1881–1955) und zehn Jahre später Bohuslav Martinů (1890–1959), Sergei Prokofjew (1891–1953) so-wie in Rumänien Ion Nonna Otescu (1888–1940), Ioan Chirescu (1889–1980), Con-stantin Nottara (1890–1951), Mihail Jora (1891–1971), Marțian Negrea (1893–1973), Filip Lazăr (1894–1936) und Mihail Andricu (1894–1974). Gemeinsam ist diesen Komponisten die gezielte kompositorische Integration und teilweise auch systema-tische Erforschung der volksmusikalischen Tradition ihres Landes. Unter Verwen-dung typischer Skalen und Artikulationsweisen der »Volksmusik des Dorfes bzw. Bauernmusik«3 entstehen Werke von ausgeprägt nationaler Eigenständigkeit. Sie bilden zugleich einen bedeutsamen Teil der europäischen Moderne, da mit ihnen die Erweiterung und Überwindung bisheriger rhythmischer und tonaler Systeme verbunden ist. Mit diesem Streben nach Erneuerung durch die Wiederentdeckung von Überliefertem grenzen sie sich von der vorangegangenen Generation ab und suchen systematisch nach einer individuellen Musiksprache, die ihre Herkunft er-kennen lässt. Bereits für diese, stärker noch für die folgende Generation erhalten europäische Kulturzentren, vor allem Paris, immer stärkeres Gewicht für den kompositorischen Austausch. Die Strömungen des Impressionismus und Neoklassizismus nehmen auch auf die nationalen Schulen Einfluss, ebenso wie ein über die eigene Tradition hinausgehendes Interesse an »Exotismen« anderer Kulturen.Die Bestrebungen um eine rumänische kulturelle Identität entwickeln sich, be-dingt durch die erst Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte rumänische Staatenbildung, im Vergleich zu den übrigen europäischen Staaten spät. Im Sinne einer »nachholen-den Entwicklung« bemüht sich die Musikkultur erst zu diesem Zeitpunkt um einen verspäteten kompositorischen Anschluss an Klassik und Romantik, ein Anschluss, der auf diese Weise fast zeitgleich mit dem Interesse an zeitgenössischen Kompositi-onsrichtungen, Impressionismus und, etwas später, Neoklassizismus erfolgt. Auf2Stephan, Rudolf: Aus der Geschichte des musikalischen Folklorismus (Fragment), in: Ders., Vom mu-sikalischen Denken. Gesammelte Vorträge, hrsg. von Rainer Damm und Andreas Traub, Mainz 1985, S. 338.3Bartók, Vom Einfluß der Bauernmusik auf die Musik unserer Zeit, 1972, S. 165. Vgl. auch III.1 »Kenn-zeichen der Volksmusik in Rumänien«.