2.3 Die Herausbildung einer nationalen kulturellen Identität123traleuropa bis hin zur am Vorbild Paris orientierten städtebaulichen Erneuerung Bukarests zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Anbindung der rumänischen Währung an den französischen Goldfranken.12Auf allen Ebenen kultureller Institutionen und gesellschaftlichen Musiklebens zeigt sich das zielgerichtete Bemühen um die Voraussetzungen für eine musikali-sche Nationalschule in gleichzeitiger Orientierung an westeuropäische Maßstäbe. Neben der Stiftung eines musikalischen Nationalpreises durch George Enescu 1912 ist die 1920 vollzogene Gründung der Gesellschaft rumänischer Komponisten, »So-cietatea Compozitorilor Români«,13 unter der Präsidentschaft Enescus ein wichtiger Etappenschritt. Durch diesen Verband werden in demselben Jahr eine gezielte De-batte und wissenschaftlich-systematische Untersuchungen angestoßen, veröffent-licht von der verbandseigenen Zeitschrift »Muzica«, die die Intention der Gründung einer kompositorischen nationalen Schule erörteren und anstreben.14 Das gleichzei-tig intendierte Selbstverständnis der Zugehörigkeit in die gesamteuropäische Mo-derne zeigt sich in dem Beitritt zur Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) (rumänisch »SIMC«) 1925. Die Gründung der »Asociației pentru Muzica Nouă« 1935 mit Mihail Jora als Mentor vereint Komponisten, Interpreten und Musi-kjournalisten in ihrem Engagement für Neue Musik. Zwischen den beiden Weltkriegen entstehen 1919 das Opernhaus in Cluj-Napo-ca (Klausenburg), 1923 das Sinfonieorchester in Oradea und 1928 das Radio-Sinfo-nieorchester Bukarest. 1927 gründet Breazul das Staatliche Phonogrammarchiv zur Sammlung rumänischer Volksmusik, Brăiloiu 1928 das Archiv für musikalische Folklore, »Arhiva de folklore«.15 Die wachsende öffentliche Bedeutung eigener Volkskunst und Brauchtumspflege mit der Betonung nationaler Wurzeln in der Zwischenkriegszeit beweist etwa die Gründung des als anschauliches Heimatmuse-um konzipierten Dorfmuseums »Museul sătului« 1936, die Förderung des rumäni-schen Brauchtums etwa auch im Bereich des Tanzes und der systematischen wis-senschaftlichen Erforschung der Volksmusik. Während des Zweiten Weltkrieges gibt die kulturelle Situation das für den poli-tischen Bereich beschriebene Erstarken nationaler Gefühle wieder. Angesichts des bevorstehenden militärischen Zusammenbruchs gegenüber der Sowjetunion im Sommer 1944 wird bereits 1943 von Regierungsseite ein geheimer National-Fonds eingerichtet, der nicht nur Regierungspersonen, sondern auch Intellektuellen von nationaler Bedeutung einen sicheren Weg ins Exil gewährleisten soll. Dazu gehören auch Personen, die sich bereits im Ausland befinden, darunter Dinu Lipatti.16 In un-terschiedlichen Quellen wird eine Summe von 10–20 Mio. Schweizer Franken ange-geben, die auf Betreiben des Außenministers Mihai Antonescu zur Verfügung ge-12Vgl. z. B. Flesch, Carl: Erinnerungen eines Geigers, Freiburg / Zürich 1960, S. 113.131949 umbenannt in Komponistenverband, »Uniunea Compozitorilor din R.P.R.«, heute »Uniunea Compozitorilor și Muzicologilor din România« (UCMR)14Vgl. C. Firca, 2002, S. 127. 15Beide wurden 1949 zusammengeschlossen und bilden heute das »Institutul de Ethnografie şi Folclor ›Constantin Brăiloiu‹ al Academiei Române«.16Vgl. Zaharia, Florin C.: Chestiunea Fondului Național, in: Patria, München, Nr. 8 / 1950, S. 5.