2.4 Wegbereiter der rumänischen Nationalschule127Doch auch die Mitte des Jahrhunderts geborenen Musiker werden noch nicht in Rumänien ausgebildet. Sie vollziehen die nächsten bedeutsamen Schritte: Die erste Symphonie (1869) eines rumänischen Komponisten stammt von George Stephănes-cu (1843–1925), Direktor des Bukarester Nationaltheaters, der auch 1885 das erste rumänische Opernensemble gründet; die Oper Petru Rareș (1900) mit dem nationa-len Motiv des Widerstandes eines moldauischen Fürsten im 16. Jahrhundert gegen die Türken komponiert Eduard Caudella (1841–1924). Der Cellist Constantin Di-mitrescu (1847–1928) gründet um 1880 das erste Streichquartett, Gavriil Musicescu (1847–1903) und Gheorghe Dima (1847–1925) komponieren bedeutende Vokalwer-ke. Der Bruckner-Schüler Ciprian Porumbescu (1853–1883) wendet sich neben großen Bühnen-, Instrumental- und Vokalwerken der noch immer von ausländi-schen Einflüssen veränderten rumänischen Volksmusik zu, die er in Potpourris, Tänzen und einer Rhapsodie dem Publikum nahe bringt. Auch für diese Jahrgänge gilt das Prinzip, »daß es noch kein Spezialistentum gibt und daß alle auf verschiede-nen Gebieten der Musik gleichzeitig tätig«32 sind.Auch wenn die »Zeit von 1877 bis 1918 […] durch die Schaffung einer einheitli-chen nationalen Musikkultur«33 geprägt ist, verstehen sich die Wegbereiter der na-tionalen Schule noch nicht als Schöpfer bewusst »rumänischer« Werke, sondern sind um den kompositorischen Anschluss an Mitteleuropa bemüht. Volksmusikali-sche Bezüge brechen nicht mit den erworbenen mitteleuropäischen, klassisch-ro-mantischen Ausdrucksmitteln. Das Interesse an der in der Regel städtisch beein-flussten Volksmusik konzentriert sich meist auf deren Transkription in westlich-funktionaler Harmonisierung mit Klavierbegleitung, veröffentlicht häufig zusam-men mit neuen Weisen »im alten Stil«, die inspiriert sind von der Originalmusik. Beispiele für die Orientierung an Originalvorlagen sind die zwischen 1847 und 1853 erschienenen vier Bände Klaviertranskriptionen von Tänzen und Liedern aus der Walachei und dem Donaugebiet von Johann Andreas Wachmann, darunter die be-reits erwähnten auf deutsch verlegten Klänge aus der Walachei: Volksgesänge der Ro-manen, gesammelt und für das Pianoforte gesetzt, »gedruckt zu einer Zeit […], in der sich die hiesigen von den Lăutari harmonisierten folkloristischen Melodien mit Ro-manzen und speziellen Liedern aus der städtischen Peripherie mischen.«34Als noch sehr untypisch für diese Generation kann das Beispiel des oben ge-nannten Carol Mikuli (1821–1897) gelten, der »in der rumänischen Musikgeschichte als erster seine Aufmerksamkeit auch der echten Bauernmusik schenkte zum Unter-schied von seinen schon erwähnten Zeitgenossen, die die Musik der Dorfein-wohner als primitiv und für eine kunstmusikalische Bearbeitung ungeeignet32Schmidt, 1991, S. 55.33Cosma, Viorel: Rumänien, in: Honegger, Marc / Massenkeil, Günther (Hrsg.): Das große Lexikon der Musik in acht Bänden, Bd. 7, Freiburg 1982, S. 158. 34Susanu, Roxana: O imagine posibilă asupra muzicii românești oferită de colecțiile Cabinetului de mu-zică al B.A.R., in: Academica, Anul VIII, 2 (86) Dezember 1997, S. 13; »din epoca […] în care se ame-stecă melodii folclorice armonizate de lăutarii de aici cu romanțe și cântece specifice muzicii născute la periferia orașului.«