128Entwicklung der rumänischen nationalen Schulebetrachteten.«35 Als Beispiele für diese der autochthonen Musik angemessene Bear-beitung nennt Vancea die »Benutzung liegender Töne, Dudelsack-Quinten, der spe-zifischen Begleitungsformeln des Zimbals und der Kobsa«.36 Als Verfälschung be-trachtet er demnach die Spielweise der »aus Österreich-Ungarn stammenden deut-schen Zeitgenossen, die, in Jassy und Bukarest wirkend, die rumänische Volksmu-sik der harmonischen Denkungsart der Wiener Klassiker, vornehmlich Haydn an-zupassen trachteten.«37Während die ursprüngliche bäuerliche Volksmusik in akademischen Kreisen noch lange kein Fachinteresse findet und ihre Kennzeichen noch unerforscht blei-ben, dient das Schaffen der genannten Persönlichkeiten vor allem der Vermittlung einer musikalischen Allgemeinbildung in der breiten Bevölkerung, die im ersten ru-mänischen Schulgesetz 1864 im Fächerkanon implementiert wird. Breazul be-schreibt den Zustand der rumänischen Abgeschiedenheit von den großen europäi-schen musikkulturellen Entwicklungen: »Das Ansehen, das die Musik in Westeuro-pa genoss, war uns beinahe nur vom Hörensagen bekannt, und nur wenige hatten wirklich das Wunder der Meisterwerke der Musik erlebt.«38 So kennzeichnet Schmidt den um die Mitte des 19. Jahrhunderts vollzogenen Prozess als das »Sich-Konstituieren einer neuen Epoche […], einen Paradigmenwechsel in der Auffassung von Kunst, wie wir das heute nennen würden.«39 Doch »die allmählich größer wer-dende Kenntnis von europäischer Kunstmusik und das zunehmende Wissen über die eigene Musikfolklore stehen noch unvermittelt nebeneinander.«402.5 Die erste Generation der rumänischen NationalschuleDie zwischen den 1870er und 1890er Jahren geborenen Musiker sind die erste Gene-ration, die ihre Grundausbildung an den neu entstandenen Institutionen erwirbt. Oft wird das Studium im Ausland vervollständigt. Dadurch wird allmählich auch die rumänische Volksmusik zum Baustein innerhalb der sich entwickelnden Musik-kultur, die zuvor der importierten Kunstmusik untergeordnet war. Die Suche nach materialer Verbindung und Verzahnung beider Stränge wird Anliegen und Antrieb der eigentlichen Generation der Gründer der Nationalschule.Breazul, der in Berlin bei Erich M. von Hornbostel und Eduard Spranger Ver-gleichende Musikwissenschaft sowie Musikpsychologie bei Carl Stumpf und Mu-sikpädagogik bei Georg Schünemann studiert, verdeutlicht die Herausforderungen seiner Generation in den Diskrepanzen zwischen Ost und West:35Vancea, 1960, S. 411.36Ebd.37Ebd.38Breazul, 1936, S. 11.39Schmidt, 1991, S.60.40A.a.O., S. 59.