2.5 Die erste Generation der rumänischen Nationalschule133tung ins Deutsche, teils auch Nachdichtungen und verwandte Neuschöpfungen.64Unter ihrem Patronat entstehen die Musikgesellschaften »Amicii muzicei« und »Asociația muzicală română« zur Förderung von Talenten und zur »Hebung des musikalischen Geschmacks«65 unter der Leitung Alfonso Castaldis und die »Asso-ciation musicale« als Kreis musikinteressierter Damen und Künstlerinnen aus der rumänischen Gesellschaft, die zum Impuls für die Kammermusikpflege in den Sa-lons rumänischer Bojarinnen wird.66 Königin Elisabetas Auffassung von Mäzenatentum und ihr Einsatz zur Förde-rung der kulturellen Aufgaben finden in diesem Maße keine Fortsetzung in den nachfolgenden Königshäusern. Ausläufer sind jedoch noch in Lipattis Zeit vorhan-den.67 2.5.1 Kompositorische Paradigmen der ersten Nationalschulgeneration 2.5.1.1 Orientierung an der rumänischen VolksmusikDie Gründungsgeneration der Nationalschule zielt auf eine eigene rumänische, zu-nächst noch auf dem Boden der mitteleuropäischen, klassisch-romantischen Kunst-musik stehende Musiksprache. Im Gegensatz zu Volksliedtranskriptionen der ver-gangenen Generation dominiert jetzt die differenziertere Verarbeitung volksmusi-kalischer, überwiegend nach wie vor melodischer Elemente in eigenständigen Kom-positionen. Beispiele dieser frühen Phase des produktiven Umgangs mit der Volks-musik sind etwa Enescus erste Rhapsodie (1901), die das Lăutari-Virtuosenstück Ciocârlia strukturell einarbeitet oder Golestans La Dembovitza, rapsodie pe motive po-pulare românești (1902). Die Orientierung an Wiener Tanzmusik, Salon- und Roman-zenstil, aber auch an großer romantischer Symphonik und Bühnenmusik ist deut-lich zu spüren. Charakteristisch für die Verarbeitung melodischen volksmusikali-schen Materials ist nun die »Neugestaltung der Beziehungen zwischen der gegebe-nen traditionellen Melodie (volksmusikalisch oder aus dem Psalmengesang) von modalem Bau und Harmonik oder Polyphonie […] und der persönlichen Erfin-dung(skraft).«68 So verwende Enescu in seinen Rhapsodien etwa »nicht nur die ka-nonische Imitation, sondern auch kurze Überlagerungen variierter Versionen eines melodischen Fragments oder sogar polymelodische Strukturen«.69 Daher könne64Vgl. z. B. Sylva, Carmen: Peleschmärchen, Bonn 1882; dies.: Durch die Jahrhunderte. Balladen und Romanzen aus der rumänischen Geschichte, Bonn 1887; Rumänische Dichtungen (Übersetzungen), hrsg. von Carmen Sylva mit Beiträgen von Mite Kremnitz, Leipzig 1881; dies.: Meister Manole, Dra-ma in vier Aufzügen, Bonn 1892.65Zeitung »Acțiunea«, Bukarest, 18.04.1916, zit. nach Schmidt, 1991, S. 127. 66Vgl. Schmidt, 1991, S. 110. 67Z. B. die Société Prince Mircea mit Veranstaltungen unter der Patronage der Königin Maria, bei de-nen auch Lipatti auftritt, vgl. Bărgăuanu / Tănăsescu, 1991, S.28.68C. Firca, 2002, S. 108; »restructurări ale inter-relației dintre melodia tradițională dată (folclorică sau psaltică) de factură modală și armonie sau polifonie […] de invenție personală.«69Ebd.; »nu numai imitația canonică, ci și scurte suprapuneri de versiuni variantice ale unui fragment melodic sau chiar structuri polimelodice«.