2.5 Die erste Generation der rumänischen Nationalschule139Cantorum und, forciert durch die Konfrontation mit fremden Musikkulturen im Ge-folge der Weltausstellung (1889/90), ausländischen – russischen, fernöstlichen, ame-rikanischen – Einflüssen gleichermaßen. Hinzu kommen weitere bedeutende Ein-flüsse, etwa der Groupe des Six und des beginnenden Neoklassizismus, des Bruitis-mus oder Verschränkungen verschiedener nationaler Spezifika, etwa in den Kom-positionen de Fallas, Tansmans oder Prokofjews, die umgekehrt wiederum auf die Komponisten unterschiedlicher Nation in Paris einwirken. 2.5.1.2.1 Einflüsse Vincent d’Indys und der Schola CantorumDie 1896 von Vincent d’Indy zusammen mit Charles Bordes und A. Guilmant ge-gründete Schola Cantorum wird zum Anziehungspunkt auch der rumänischen Mu-siker. Durch die Person d’Indys, auch als Vorsitzender der Société Nationale deMusique von bedeutendem Einfluss, erhält die Wiederbesinnung auf nationalkultu-relle Wurzeln ebenso kompositorisches Gewicht wie die Tradition der Vokalpoly-phonie. D’Indy vermittelt gerade den Komponisten, die um die Sammlung und Ver-arbeitung ihrer landeseigenen Volksmusik bemüht sind, eine wichtige Basis, zum einen, da er selbst die französische Volksmusik erforscht und z. B. zwischen 1892 und 1930 sechs Sammlungen von französischen Volksmelodien herausgibt, zum an-deren, da seine Beschäftigung mit dem gregorianischen Gesang grundlegende Mög-lichkeiten vermittelt, die übertragbar auch für die Verarbeitung modaler Themen aus der rumänischen Tradition oder der Behandlung der liturgischen byzantini-schen Musik sind.95 Die rumänische Musikwissenschaftlerin Roxana Susanu hebt den Einfluss der deutschen symphonischen Musik durch d’Indy auf Dimitrie Cuclinhervor.96 An der Schola Cantorum studieren daneben um die Jahrhundertwende, wie oben erwähnt, Dumitru Georgescu Kiriac, Stan Golestan, Ion Nonna Otescu, George Simonis und etwas später Alfred Alessandrescu, wie in den 20er Jahren Theodor Rogalski, Ioan Chirescu, Constantin Bobescu und Marcel Mihalovici, des-sen Erinnerung hier stellvertretend für die übrigen rumänischen Vertreter seiner Generationen stehen soll: »Am Anfang wurde ich sehr gut benotet, weil ich mit Inbrunst den musikali-schen Prinzipien Vincent d’Indys folgte. Aber später brachte das Leben in Pa-ris mich in Kontakt mit der jüngeren Musik, die damals in ihren Anfängen war, mit der Musik Debussys, Strawinskys, Ravels, mit der der Groupe des Six. […] Er hielt nicht viel von meiner Neigung zu der jungen zeitgenössischen französischen Musik […]. ›Warum kommst du noch zu meinen Kursen?‹ frag-te mich Vincent d’Indy […] – aber ich sagte ihm: ›Ich komme zu Ihnen, weil ich eine Vielzahl von Werken kennenlerne‹. Und wirklich weiß ich, dass die Welt heute sehr ungerecht über d’Indy und seine Lehre urteilt; Diese Lehren95Vgl. Nowka, 1998, S. 29f.96Susanu, 1997, S. 19.