142Entwicklung der rumänischen nationalen SchuleWechseltöne, Durchgänge werden nicht mehr aufgelöst und fungieren dadurch nicht länger nur als relativer Bezugspunkt zu ihren Nachbarklängen, sondern betonen die Eigenständigkeit einer »absoluten Spannung«.104 Losgelöst vom funktionalen System bleibt die Harmonik dennoch tonal gebunden. Hans Mersmann spricht von »absoluter Harmonik«105 in Bezug auf Konstellationen, die sich auch als relevant in Bezug auf Lipatti erweisen werden:106 Etwa feststehende Akkorde aus Grundton, Quarte und Quinte, die als Klänge fixiert bleiben107 und dadurch als absoluter harmonischer Farbwert, nicht länger als aufzulösender Vorhalt aufzufassen sind: »Die innere Unverbundenheit der Klangfolge zeigt sich wiederum darin, daß der Klang als solcher fixiert bleibt […]. Er durchgleitet in seiner Grundform eine Folge melodischer Stufen und löst sich dann in fließende, entschwin-dende Bewegung auf […]; die relative Harmonik ist endgültig überwunden und hat einer absoluten Platz gemacht.«108Auch wenn die Loslösung vom funktionsharmonischen Denken den Bruch mit der Romantik und den Weg hin zur emanzipierten Chromatik und Dissonanz vorzeich-net und ermöglicht, betont Mersmann, dass solche Auflösungstendenzen schon die Grenzbereiche des Impressionismus markierten, da dieser ihrer bedingungslosen Ausweitung im »Selbsterhaltungstrieb«109 einer »Verwurzelung im sinnlichen Klang«110 letztendlich entgegenstehe. In seiner zeitnahen Darstellung des Impressionsimus von 1928 beurteilt Mersmann die »beständige Rückkehr zu sich selbst«111 denn auch als eine Passivität der thematischen Arbeit, die Analogien zu den Strukturelementen der Romantik zeige, wodurch »der französische Impressionismus, trotz seiner äußeren Gleichzeitigkeit mit der Auflösung der deutschen romantischen Musik innerlich doch als deren Fortsetzung erscheint.«112 Hier zeigt sich in der deutschen Sicht auf den Impressionismus eine auch mit chauvinistischem Unterton erfolgende Gegenüberstellung zum deutschen Expressionismus, wodurch seine Auslegung auch von ästhetischen, teilweise auch polemisierenden Auseinandersetzungen der Zeit, dem deutsch-französischen Antagonismus im Ringen um den Anspruch auf eine musikalische Moderne, geprägt ist. In diesem Sinne verweist auch Thomas Kabisch im heutigen Begriffsdiskurs auf die Inbesitznahme der impressionistischen Musik in der 104Mersmann, Hans: Die Moderne Musik seit der Romantik. Handbuch der Musikwissenschaft, Bd. 8, hrsg. von Ernst Bücken, Potsdam 1928, S. 103.105A.a.O., S. 106.106Vgl. z. B. Rückungen von Quartakkorden in der Schlussbildung des ersten Satzes der Fantaisie pour piano solo oder Quartbewegungen im dritten Satz desselben Werkes, Notenbeispiel 129.107Vgl. Mersmann, 1928, S. 106.108Ebd.109A.a.O., S. 158.110Ebd.111A.a.O., S. 102.112A.a.O., S. 101.