144Entwicklung der rumänischen nationalen Schulerumänischen Musik dar. Andererseits aber seien die verwendeten impressionisti-schen Ausdrucksmittel nur teilweise auf den Einfluss französischer Kompositionen zurückführbar, da sich auffallende Parallelen in der rumänischen Volksmusik fän-den.119 Hier schließt sich nun der Kreis, der mit der Feststellung einer Anregung des Impressionismus überhaupt durch oben genannte »exotische« Kulturen begann. Dementsprechend wehren sich manche osteuropäische Nationalschulkomponisten wie z. B. Janáček gegen die kausale Einordnung in ausländische Beeinflussung: »Die akkordische Freiheit habe ich schon vor Debussy verkündet, und ich brauche wahr-lich nicht den französischen Impressionismus!«120 Auch Mersmann stellt bemer-kenswerterweise einen Zusammenhang zwischen Impressionismus und der auch in der rumänischen Volksmusik manifesten arabischen Musik fest, wenn er das erste Thema des Streichquartetts von Debussy charakterisiert als »monotone, gleitend bewegte, beständig um ein Zentrum schwingende Melodik […], wie sie etwa der orientalischen Musik eigen ist«,121 auch wenn er diesen Vergleich wiederum mit abwertender Konnotation vornimmt. Impressionistische Affinität zeigt sich in der rumänischen Volksmusik in der Verwendung von Ganztonleiter, Pentatonik, alterierten Akkorden, Polytonalität, Statik in den harmonischen Konstellationen, Chromatik, kleinzelliger kreisender Melodik,122 wobei C. Firca als besonders charakteristisch das metrisch ungebun-dene parlando-rubato123 und modale Färbungen hervorhebt: »la compatibilité des deux ›mondes‹ musicaux […] avait été effectivement prouvée par Georges Enesco: la Pavane de sa Suite pour piano op. 10 configurait déja en 1903 ce qu’on pourrait appeler un impressionisme musical de teinte roumaine.«124 Zu Beginn des 20. Jahr-hunderts sieht sie die »eklektisch universale«125 romantisch-impressionistische Linie in der Nachfolge Francks und Debussys abgelöst durch die Überlagerung mit ähnlichen, doch originär rumänischen Elementen wie die tonale Verschmelzung von Dur und Moll und modale Farbwerte,126 sofern diese als »eine Färbung des musikalischen Satzes und nicht als strukturelles Prinzip«127 eingesetzt würden. Als maßgeblich im Prozess der Überführung romantischer und impressionisti-scher Einflüsse Francks und Debussys in eine rumänische Ausprägung128 bezeich-net sie »die Schule Castaldi.129 Zusammen mit Enescu der mit seinem individuellen 119 C. Firca, 2001, S. 5.120Zit. nach Stuckenschmidt, Hans Heinz: Schöpfer der neuen Musik, Porträts und Studien, Frankfurt 1974, S. 77.121Mersmann, 1928, S. 103.122Vgl. III.1 »Kennzeichen der Volksmusik in Rumänien«.123Vgl. III. 1.6.3 »Parlando-rubato«.124C. Firca, 2001, S. 5; »Die Vereinbarkeit der zwei musikalischen ›Welten‹ […] war in der Tat von Geor-ges Enesco bewiesen worden: Die Pavane seiner Klaviersuite op. 10 verkörperte schon 1903 das, was man einen musikalischen Impressionismus von rumänischer Färbung nennen könnte.«125C. Firca, 2002, S. 109; »eclectic universalistă«.126Vgl. III.1.7 »Tonale Merkmale in der rumänischen Volksmusik«.127C. Firca, 2002, S. 109; »un colorant al texturii muzicale și nu ca un principiu structural«.128Vgl. ebd. 129Ebd; »școala Castaldi«. Zu seinen bedeutenden Schülern gehören Dimitrie Cuclin, Ion Nonna Otescu,