2.5 Die erste Generation der rumänischen Nationalschule147mantischen Musiksprache durch den Rückgriff auf »klassische« Ideale, die von un-terschiedlichen Bezügen zu Epochen und Personen geprägt sind. Als wissenschaftli-cher Terminus ist der Begriff des Neoklassizismus nur bedingt anwendbar, zu un-scharf und mehrdeutig sind seine Definition und die damit verbundenen Konnota-tionen, zumal in den unterschiedlichen europäischen Kulturtraditionen. »Er be-zeichnet mal einen Zeit-, mal einen Personalstil, dann wieder nur eine allgemeine Tendenz«.147 Dennoch steht der Begriff für bestimmte kompositorische Prinzipien, die in ihrem musikalischen Rückgriff vom bloßen Neu-Arrangement bis zur abstra-hierenden Verfremdung reichen und höchst ambivalent bewertet werden, als Plagi-at einerseits und Erneuerung durch Bewährtes andererseits. Diese Unschärfe schmälert zwar die exakte Aussagekraft des Begriffes, nicht je-doch die Bedeutung des musikalischen Phänomens gerade im Rückblick auf die Musikentwicklung des 20. Jahrhunderts.Auch wenn eine Übersetzungsungenauigkeit unterliegt, da der von Frankreich ausgehende »néoclassicisme« mit »Neoklassik« wiedergegeben werden müsste,148 hat sich im Deutschen der Begriff Neoklassizismus durchgesetzt.Die Herkunft des Terminus ist vage und ebenso wie der des Impressionismus auf pejorative Urteile zurückzuführen. Bereits 1861 verwendet Charles Baudelaireden Begriff »néo-classiques«,149 um damit antikisierende Stilmittel in der Literatur als unzeitgemäß zu diskreditieren. Positiv konnotiert findet sich der Begriff Klassi-zität zu Beginn des Jahrhunderts ebenfalls literaturbezogen bei Samuel Lublinski, der in dem als zeitgemäß bewerteten »Streben nach Präzision, Einfachheit und ge-schlossener Einheit«150 eine Chance für die Ablösung des romantischen Kunstideals der Subjektivität sieht. Der Begriff Klassizität vermeidet das pejorative Präfix »neo« ebenso wie das abwertende Suffix im Wort Klassizismus, dem das Stigma anhaftet, »etwas Sekundäres, eben von einer ›Klassik‹ Abgeleitetes (also nichts Ursprüngli-ches und mithin selbst Klassisches)«151 zu sein. Das Anliegen von Mustergültigkeit und Eigenständigkeit gegenüber der Stilkopie wird herausgestellt. Das Ideal von emotionaler Distanz und Strukturiertheit liegt kunstübergreifen-den Äußerungen der Zeit zu Grunde. Als Pfeiler in der neoklassizistischen Begriffs-genese gilt 1920 der offene Brief von Ferrucio Busoni an Paul Bekker. Er postuliert»den definitiven Abschied vom Thematischen und das Wiederergreifen der Melodie – (nicht im Sinne eines gefälligen Motives) – als Beherrscherin aller Stimmen, aller Regungen, als Trägerin der Idee und Erzeugerin der Harmonie, kurz: der höchst entwickelten (nicht kompliziertesten) Polyphonie. 147Scherliess, 1998, S. 14.148Vgl. z. B. Danuser, 1984, S. 147.149Bandur, 1995, S. 279.150Zit. nach a.a.O., S. 284.151Stephan, Rudolf: Klassizismus, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopä-die der Musik (MGG), hrsg. von Friedrich Blume, zweite, neubearbeitete Ausgabe hrsg. von Ludwig Finscher, Sachteil, Bd. 5, Kassel / Stuttgart 1996, Sp. 249.