148Entwicklung der rumänischen nationalen SchuleEin Drittes – nicht minder Wichtiges – ist die Abstreifung des ›Sinnlichen‹ und die Entsagung gegenüber dem Subjektivismus (der Weg zur Objektivität – das Zurücktreten des Autors gegenüber dem Werke – ein reinigender Weg, ein harter Gang, eine Feuer- und Wasserprobe), die Wiedereroberung der Heiter-keit (Serenitas): nicht die Mundwinkel Beethovens, und auch nicht das ›befrei-ende Lachen‹ Zarathustras, sondern das Lächeln des Weisen, der Gottheit und – absolute Musik. Nicht Tiefsinn und Gesinnung und Metaphysik; […] Menschliches Empfinden – aber nicht menschliche Angelegenheiten […]. Maße des Künstlerischen […] bedeuten vor allem: einer Kunst nicht die Auf-gaben zuerteilen, die außer ihrer Natur liegen.«152 Er fordert: »Eine neue ›klassische‹ Kunst tut not. Klassisch: schön, meisterlich, blei-benden Wertes, einfach und eindringlich.«153 In dem Brief an Bekker versieht er sei-ne traditionsbewusste Vorstellung von Klassizität gleichermaßen mit den Attribu-ten jung und neu: »Zu jeder Zeit gab es – muß es gegeben haben – Künstler, die an die letzte Tra-dition sich klammerten, und solche, die sich von ihr zu befreien suchten. […] und der nächste Schritt, den der Widerspruch fördernd herbeiführen muß, ist der, der zur neuen Klassizität lenkt. Unter einer ›jungen Klassizität‹ verstehe ich die Meisterung, die Sichtung und Ausbeutung aller Errungenschaften vor-ausgegangener Experimente: ihre Hineintragung in feste und schöne Formen. Diese Kunst wird alt und neu zugleich sein – zuerst.«154 Folgende Aspekte kennzeichnen Busonis Auffassung des Neoklassizismus: – Die Rücknahme eines subjektiven Ausdruckswillens zugunsten eines objektiven An-spruchs an das Werk;– die Ablösung thematischer Arbeit durch die Konzentration auf die melodische Linie als Substanzträger musikalischer Gestaltung;– die Grundhaltung der »Serenitas« im Sinne einer »vom Verstand diktierten, nicht oberflächlichen Heiterkeit, sich über die Dinge zu erheben«;155 – die Legitimation des Rückgriffs auf Historisches im Sinne von Bewährtem als Zeichen musikalischer Qualität, ohne den Bezugsrahmen des Klassischen zeitlich einzugren-zen: Klassisch verstanden weniger als Epochen-, sondern als Wertbegriff des »Meis-terlichen«;152Busoni, Ferruccio: Junge Klassizität (1920), Abdruck in: Stuckenschmidt, Hans Heinz: Neue Musik. Zwischen den beiden Kriegen, Bd. 2, Frankfurt 1951, S. 299. 153Zit. nach Bandur, 1995, S. 286.154Busoni, 1951, S. 297f.155Bäcker, Ursula: Frankreichs Moderne von Claude Debussy bis Pierre Boulez. Zeitgeschichte im Spie-gel der Musikkritik, Regensburg 1962, S. 124.