160Entwicklung der rumänischen nationalen SchuleErkennbar werde ein Beziehungsgefüge von Achsen mit jeweils vier tonal gleich-wertigen Ebenen, die miteinander vertauscht werden könnten und gleichwertige Verwendung fänden: Die Tonika-Achse c-es/dis-ges/fis-a, die Dominanten-Achse g-b/ais-des/cis-e sowie die Subdominantenachse f-as/gis-h-d. 212 Auf diese Weise erhielten vor allem die Tritonusbeziehungen zwischen Schlüsselstellen in einigen Hauptwerken Bartóks – Lendvai nennt neben anderen Beispielen etwa fis - c in Herzog Blaubarts Burg oder h - f im Violinkonzert213 – einen fundamentalen Stellenwert, der noch funktional erklärbar sei, doch alle zwölf Töne gleichwertig in dieses Gefüge der Funktionsverwandtschaft einbeziehe, da jeder Pol durch seinen im Quintenzirkel gegenüberliegenden Gegenpol ausgetauscht werden könne.214 Während diesem Ansatz noch das funktionsharmonische, auf diatonischen Skalen beruhende Denken zu Grunde liegt, begründet Lendvai dasselbe System jedoch ebenso aus der Logik der sich indifferent zueinander verhaltenden zwölf Töne in den »gleichstufig distanzierten Aufteilungen der Oktave«215 heraus: »Teilen wir die Oktave in 12 gleiche Teile, so ergibt sich Chromatik, bei 6 gleichen Teilen eine Ganztonskala; teilen wir sie in 4 gleiche Teile, so erhalten wir einen verminderten Vierklang, bei 3 gleichen Teilen einen übermäßigen Dreiklang«.216 Durch diese Dreiteilung ergebe sich ein funktionaler Wirkungskreis zwischen den Haupttönen c-e-as. »Teilen wir die Zwölftonchromatik proportional unter den drei Funktionen auf, werden zu jeder der Funktionen je vier Pole gehören«,217 nämlich wiederum c-es-fis-a; e-g-b-cis und as-h-d-f, also die Zuordnung aller Töne. »Das durch die gleichstufige Teilung entstehende Tonsystem entspricht also vollkommen dem früheren Schema des Achsensystems«218 und geht im Gegensatz zum ursprünglich aus der klassischen Harmonielehre stammenden funktionalen Denken vom emanzipierten Zwölftondenken aus, wobei ein sehr erweitertes tonales System zu Grunde gelegt wird. Als weiteres wichtiges Kriterium zur Formbildung führt Lendvai auch in Bezug auf Bartóks Kompositionen den »Goldenen Schnitt« an, die Gliederung nach den Proportionsfaktoren 0,618 bzw. 0,382.219 Beispiele bei Bartók seien etwa die Repri-senbildung am Punkt des »Goldenen Schnitts« in der Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug oder, als Rückgriff auf die »einfachste, durch ganze Zahlen ausdrückbare Reihe des »Goldenen Schnitts« (Fibonaccische Zahlen)«220 die Repetitionen in fis über acht, fünf, drei und dreizehn Takte des Allegro barbaro. Damit nennt er zwei Werke Bartóks, die sich neben dessen drittem Klavierkonzert, dem Tanz im Bulgarischen 212Vgl. a.a.O., S. 106. 213Vgl. a.a.O., S. 107 .214Vgl. ebd.215A.a.O., S. 111.216Ebd.217A.a.O., S. 112.218Ebd.219Vgl. a.a.O., S. 117ff. 220A.a.O., S. 118.