164Entwicklung der rumänischen nationalen SchuleVerbindung mit einer modalen Melodie- und Harmoniestruktur als signifikant her-vor. Auch im Bereich der Anwendung von Modalharmonik in der Musik des 20. Jahrhunderts geht es immer wieder um das Spannungsfeld zwischen Tonalität und deren Öffnung hin zur tonalen Ungebundenheit. Mit dem Grundtonbezug als Kennzeichen für tonale Gebundenheit grenzt etwa Bartók die Begriffe Atonalität, Polytonalität und Polymodalität ab: »To point out the essential difference between atonality, polytonality and polymodality, in a final word on this subject, we may say that atonal music of-fers no fundamental tone at all, polytonality offers – or is supposed to offer – several of them, and polymodality offers a single one.«243 Doch gerade angesichts solcher Auseinandersetzungen trifft Bartóks Feststellung, dass Polytonalität vor allem auf dem Papier und für das Auge existiere, während das Ohr sich nur auf einen Grundton einlassen könne, einen wesentlichen Punkt: »But our mental hearing again will select one key as a fundamental key, and will project the tones of the other keys in relation to the one selected. The parts in diffe-rent keys will be interpreted as consisting of altered tones of the chosen key«.244 Zu fragen wäre im Anschluss an diese Feststellung sicherlich, inwieweit sich das Ohr auch beim Hören atonaler Kompositionen einen vermeintlichen Grundtonbezug konstruiert.Deutlich wird wie schon im Kontext der Auffassungen über nationale Schulen, moderne Musik oder Volksmusik die Abhängigkeit der Termini von unterschiedli-chen, national geprägten musikwissenschaftlichen Diskursen, die bei der Verwen-dung der Begriffe als Bewertungsmaßstäbe Vorsicht geboten erscheinen lassen.2.6.1.3 Aspekte der ModalharmonikDie Neubewertung der Volksmusik als Fundament der nationalen Schulen führt zu einem grundsätzlichen kompositionstechnischen Umdenken, da die rumänische Volksmusik mit ihrer modalen Anlage im Bereich von Rhythmus und Tonalität an-deren Grundsätzen folgt als die gleichzeitig kompositorisch maßgebliche westeuro-päische Klassik und Romantik.245 Der kompositorische Umgang mit den modalen Skalen der osteuropäischen Volksmusik sei, so Gheorghe Firca, weitgehend in Un-kenntnis der modalen Polyphonie erfolgt, denn »der musikalische Schatz des Mit-telalters und der Renaissance war im allgemeinen so gut wie unbekannt.«246 Nach-dem daher im 19. Jahrhundert Volksmelodien in erster Linie romantisch, insbeson-dere mit chromatischen Erweiterungen der Funktionsharmonik, harmonisiert wor-den seien, sei diese Ästhetik erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts überwunden wor-243Bartók, Béla: Harvard Lectures (1943), in: Ders., 1976, S. 370. 244A.a.O., S. 365 f. 245Vgl. III.1 »Kennzeichen der Volksmusik in Rumänien«.246G. Firca, 1972, S. 2.