2.6 Die zweite Generation der rumänischen Nationalschule165den durch die Suche nach Verfahren, die sich an den Grundzügen modaler Melodik selbst orientieren. Übergangsformen seien etwa der Gebrauch subdominantischer Verbindungen oder leittonloser Kadenzierungen.247 Der für eine gezielte Konzen-tration auf die volksmusikalischen Melodiemodelle zu berücksichtigende Grundzug der modal geprägten Volksmusik ist deren monodische Anlage, die einer funktiona-len dreiklangsharmonischen Einbindung entgegensteht und den Vorrang der Hori-zontalen gegenüber der Vertikalen geltend macht oder aber letztere aus der ersteren ableitet. Die »vollständige oder teilweise Konzentration des melodischen Materials auf der Vertikalen«248 gewährleistet, dass »das Melodische organisch im Harmoni-schen impliziert ist«.249 Ein Resultat ist das Lösen vom terzorientierten Dreiklang hin zu anderen Formationen des Akkordaufbaus: Die Orientierung an den Tetra- und Pentachorden etwa, die den modalen Systemen als konstante Intervalleinheiten zu Grunde liegen, führt zur akkordischen Verwendung großer und kleiner Sekun-den ebenso wie zu Quartschichtungen, »nicht immer im Reinzustand, sondern im guten Einvernehmen mit der Terzenüberlagerung […] zwei miteinander verträgli-che Prinzipien der modal-harmonischen Behandlung zum Ausdruck«250 bringend. Das Werk Lipattis liefert dafür anschauliche Beispiele. Auch Firca stellt wiederum fest: »Der konsequenteste Förderer des Verfahrens einer Ableitung der Harmonie aus der Melodie […] war bekanntlich Béla Bartók«,251 indem er das horizontale Klangmaterial in Akkorden konzentriert habe. Oftmals werden alle Melodietöne ohne funktionale Führung als Grundtöne von Akkorden harmonisiert, so dass an Stelle von Kadenzverbindungen Akkordverket-tungen entstehen, die nicht funktional zwischen Haupt- und Nebenstufen unter-scheiden. Die geringere tonale Festlegung, ohne »Zwang, in der Harmonie die Merkmale des ›ursprünglichen‹ Modus zu erkennen«,252 findet sich gleichzeitig be-reits in der tonal offeneren Anlage modaler Melodien,253 denn diese »ermöglicht je-derzeit eine Inkursion in benachbarte (plagale) modale Regionen oder sogar in an-dere Modi, denn dank einer Mutation oder einer Tetrachord- oder Quintenver-wandtschaft verschieben sich die Bezugszentren und gleichzeitig damit auch die zugehörigen Akkorde.«254 Jenseits akkordischer Satzstrukturen entwickeln sich vor allem in der zweiten Generation der Nationalschule andere kompositorische Verfahren der Wahrung der ursprünglich monodischen Anlage einer Volksmelodie: Hergeleitet vom Ison,255 dem einzigen üblichen Begleitton der monodischen orthodoxen Kirchenmusik, fin-den sich z. B. Orgelpunkt-Techniken, wodurch die modale Melodie einerseits har-247Vgl. a.a.O., S. 4.248A.a.O., S. 21.249Ebd.250A.a.O., S. 24.251G. Firca, 1972, S. 26.252A.a.O., S. 13.253Vgl auch III.1.7 »Tonale Merkmale in der rumänischen Volksmusik«.254G. Firca, 1972, S. 12.255Vgl. III.1.7 »Tonale Merkmale in der rumänischen Volksmusik«.