166Entwicklung der rumänischen nationalen Schulemonisch unangetastet bleibt, aus denen andererseits jedoch die Offenheit tonaler Deutungsebenen resultiert. Daraus hervorgegangene Doppelorgelpunkte in Quin-ten, Bordune und andere ostinate Strukturen erweitern die Überlagerung mit kon-frontierenden Materialien. Ein anderer Ansatzpunkt ist die Heterophonie als weiteres Resultat der monodi-schen Anlage volksmusikalischer Melodien.256 G. Firca macht unterschiedliche Ur-sprungsquellen der Heterophonie geltend, darunter »›la conscience de l’unisson‹ dans les musiques folkloriques monodiques, les procédés ornementaux dans les genres improvisateurs et même la manière de travail de la polyphonie occidentale imitative libre«.257 Ebenso wie das ihr vorangehende Unisono findet sich die Heterophonie als Grundprinzip und Stimmführungstechnik zwischen Homophonie und Improvisati-on in vielen rumänischen Kompositionen des 20. Jahrhunderts,258 Ansätze werden auch in den Werken Lipattis sichtbar.259 G. Firca stellt die Bedeutung der Hetero-phonie für die rumänischen Komponisten heraus: »Pour les compositeurs roumains, l’hétérophonie est un véritable univers, une dimension intermédiaire entre l’horizontal et le vertical, une projection de la ligne (de la mélodie) dans l’espace et, en même temps, une méthode d’organi-sation du rythme.«260Damit verdeutlicht G. Firca auch die Verbindung der modalharmonischen Ansatz-punkte zu rhythmischen und instrumentalen Eigenheiten, die einen besonderen Klangcharakter bewirken: Der in Kapitel III.1.6.5 dargestellte Ansatz eines perma-nent variierenden motivischen Fließens an Stelle von durch Entwicklung vorstruk-turierten Formaufbauten nutzt etwa das ein anderes Zeitverständnis ausdrückende parlando-rubato oder das System des syllabischen Giusto,261 gelangt mittels klein-schrittiger Entwicklung eines Motivs und deren Überlagerungen jedoch auch zu po-lyrhythmischen Strukturen. Die kompositorisch wiederentdeckten Instrumente Zymbal, Dudelsack, Geige oder Flöte und ihre Spielweisen vermitteln nicht nur spezifische Klangfarben, son-dern hinterlassen in den Kompositionen auch die instrumental bedingten Spuren von Mikrointervallen, Glissandi, nicht temperierten Tönen und spezifischen Impro-visations- und Variationsverfahren. Dieser produktive Umgang mit den in Kapi-256Vgl. ebd.257G. Firca, 1996, S. 44; »›das Bewusstsein der Einstimmigkeit‹ in der monodischen Volksmusik, die or-namentierenden Verfahren in den improvisierenden Gattungen und selbst die Arbeitsweise der frei imitatorischen westlichen Polyphonie«.258Vgl. z. B. Nowka, 1998, darin: »Die Heterophonie bei Enescu«, S. 91–94.259Vgl. z. B. IV.2.4.4 »Fantaisie pour piano solo«.260G. Firca, 1996, S. 44; »Für die rumänischen Komponisten ist die Heterophonie ein wahres Universum, eine vermittelnde Dimension zwischen der Horizontalen und der Vertikalen, eine Projektion der Li-nie (der Melodie) in den Raum, und gleichzeitig eine Methode der rhythmischen Organisation.«261Vgl. III.1.6.3 »Parlando-rubato« und III.1.6.1 »System des syllabischen Giusto«.