176Direkte Einflüsse auf LipattiBeide Werke erhalten Auszeichnungen des nationalen Kompositionswettbewerbs. Zwei weitere Kompositionen sind in ihrer Entstehung mit Jora verbunden: das ihm gewidmete Nocturne (Thème moldave) (1937) und die anlässlich Joras 50. Geburtstag komponierte Sonatine pour piano (main gauche seule) (1941). Zu Lipattis Kompositionsklasse bei Jora gehören auch Paul Constantinescu und Constantin Silvestri, die daher auch in kompositorische Beziehung zu Lipatti ge-stellt werden können. Der von seinen vertrauten Schülern »Conul Mişucă«15 ge-nannte Jora wird für Lipatti auch in späterer Zeit ein wegweisender Mentor bleiben. Davon zeugen zahlreiche Briefe, in denen sich Lipatti während seiner Pariser Studi-enzeit Rat holt und von seinen Fortschritten und Zweifeln berichtet, detailliert etwa über Dukas’ Urteil über Şătrarii,16 oder er klagt ihm schonungslos seine komposito-rischen Selbstzweifel: »En ce qui concerne la composition je suis tout à fait embourbé, à cause du manque total de persévérance et de discipline dans mes idées. Après quelques pages d’une ainsi dite Fantaisie pour piano et orchestre, cela n’a plus marché et ces jours derniers j’ai esquissé un autre thème pour violon et piano. Cela après un séjour de près d’une année dans un milieu musical de premier ordre! Voici où j’en suis! Vous m’avez terriblement manqué, vous, la main de fer qui m’a dirigé jusqu’à présent«.17 Ein Brief aus dem Jahr 1947 zeugt davon, dass Jora, zu dem seit Lipattis Weggang aus Rumänien 1943 kein Kontakt mehr bestanden hatte, Lipatti offenbar in Bezug auf Aufträge Rumäniens im Sinne der Verbreitung der rumänischen Kultur im Aus-land unterstützt:»Ma vie depuis Septembre 1943 a changé au point que par moments je ne sai-sis pas encore par quelles circonstances je suis ici et quelle force m’a mené ain-si qu’elle l’a fait. […] Ensuite, grâce aux chaleureuse interventions que vous avez répétées, ma situation s’est momentanément améliorée; les concerts se sont multipliés«.18 15Vgl. IV.2.2.2 »Sonatine pour piano (main gauche seule)«.16Vgl. Bărgăuanu / Tănăsescu 1991, S. 3417Brief vom 26.04.1935 an Mihail Jora, in: Tănăsescu / Bărgăuanu: Dinu Lipatti et ses maîtres roumains, in: Nouvelles musicales de Roumanie. Bulletin d’Informations de l’Union de Compositeurs de la Ré-publique Socialiste de Roumanie Nr. 12, Bukarest 1980, S. 46; »Was das Komponieren anbelangt, bin ich völlig festgefahren aufgrund des totalen Mangels an Ausdauer und Disziplin in meinen Ideen. Nach einigen Seiten einer so bezeichneten Fantaisie für Klavier und Orchester ging das nicht weiter, und die letzten Tage habe ich ein anderes Thema für Geige und Klavier skizziert. Dies nach mehr als einem Jahr Aufenthalt in einem musikalischen Milieu ersten Ranges! Da bin ich also! Sie haben mir schrecklich gefehlt, Sie, die eiserne Hand, die mich bis jetzt geleitet hat«.18Ebd.; »Mein Leben hat sich seit September 1943 so sehr gewandelt, dass ich manchmal noch nicht fasse, durch welche Umstände ich hier bin und welche Kraft mich so geführt hat wie sie es tat. […] Dann hat sich dank Ihres wiederholten Eingreifens meine Situation momentan verbessert; die Kon-zerte haben sich vervielfacht«.