178Direkte Einflüsse auf Lipattier zwischen 1913 und 1946 jährliche Kompositionspreise, die nachfolgend ab 1954 von der Academia Română verliehen werden. 1920 gehört er zu den Gründern der Gesellschaft rumänischer Komponisten, »Societatea compozitorilor români«, dessen Vorsitzender er bis 1948 bleibt. Valentin Lipatti charakterisiert Enescu als »prominente Persönlichkeit des euro-päischen Musiklebens, geistigen Vater und Wegbereiter der rumänischen Schule.«23 In seiner Bescheidenheit und Zurückhaltung sei er wie Brâncuşi ein »Anti-Star«24 gewesen, »eine faszinierende Mischung aus Fülle und Demut, von Geist, Ironie, Poesie und Sinnlichkeit. […] Enescu war rumänisch bis ins Mark. Er verstand sich als Gesandter seines Landes, seiner Orte und Menschen mit ihrem Gesang.«25 Die Vielschichtigkeit von Persönlichkeit und Werdegang zwischen mehreren Kulturen spiegelt sich in Enescus Kompositionen. C. Firca beschreibt den französi-schen Ausgangspunkt als Aneignung der zyklischen Technik Francks in den We-senszügen, wie sie mit Wiener Klassik und Romantik vereinbar seien: Intensive Mo-tivarbeit, komplexe Entwicklung, Ökonomie, extreme Kohäsion des thematischen Materials und zyklisches Denken zeigten »une double filiation, allemande et française, à savoir celle de Beethoven / Brahms et celle de Franck.«26 Hingegen seien die von Enescu verwendeten impressionistischen Verfahren nicht unbedingt franzö-sischer Herkunft: »La touche debussyste de certaines pages de l’oeuvre d’Enesco est assurément moins relevant pour les rapports de sa musique avec l’impressionisme que le sont la confluence des modalités impressionistes avec celles du propres lan-gage du compositeur et, avec le temps, l’absorbtion presque total des pre-mières par les secondes.«27 Als Beispiele für diese Entwicklung nennt sie Pavane aus der zweiten Klaviersuite op. 10 (1903), Carillon Nocturne aus der dritten Klaviersuite (1916) und neben der späteren Orchestersuite op. 27 Villageoise (Suita sătească, 1939) auch die Impressions d’enfance op. 28 (1940) für Violine und Klavier.28Ausgehend von der Musik der ländlichen, von städtischen Einflüssen wenig be-rührten Lăutari konzentriert sich Enescu zunehmend auf authentische Prinzipien 23V. Lipatti, 1994, S. 27; »personalitate proeminentă a vieții muzicale europene, neîncetînd să fie părin-tele spiritual şi îndrumătorul școlii muzicale românești.« 24A.a.O., S. 28; »anti-vedetă«.25Ebd.; »un amestec fascinant de plenitudine şi de smerenie, de spiritualitate, de ironie, de lirism şi de senzualitate. […] Enescu era român pînă în măduva oaselor. Era legat de ţară, de locurile şi oamenii, de cântecul ei.« 26C. Firca, 2001, S. 6; »eine doppelte Abstammung, deutsch und französisch, d. h. die von Beethoven / Brahms und die von Franck.«27A.a.O., S. 6f.; »Die Anklänge an Debussy auf einigen Seiten von Enescus Werk sind sicher weniger bedeutungsvoll für die Verbindung seiner Musik mit dem Impressionismus als es das Zusammenflie-ßen der impressionistischen Modalitäten mit seiner eigenen Kompositionssprache ist, wobei mit der Zeit die zweiten die ersten fast völlig absorbierten. 28Vgl. a.a.O., S. 7 und III.2.5.1.2.2.2 »Ambivalenz der impressionistischen Stilelemente – französischer Einfluss oder Herkunft aus der rumänischen Volksmusik?«.