2.1 Frühe Werke der Stilorientierung225und entwickelten Materials zeigt Lipatti vor allem in den tänzerischen Passagen. Gerade hier konzentriert er sich bei der Darstellung der Lăutari in erster Linie auf die Entwicklung rhythmischer Komponenten. Auch Jora verwandte Marsch-Asso-ziationen schriller Piccoloflöteneinsätze, Fanfaren oder Schlagwerk resultieren in Şătrarii aus der Verarbeitung und Steigerung der zu Grunde liegenden rhythmi-schen Patterns. Vor allem die Ţiitura ist ein Element, das von Lipatti in späteren Kompositionen wieder aufgenommen werden wird, wenn auch z. B. in der Sympho-nie Concertante in weiter entwickelter Form. Daher stellt auch Vancea fest : »Die rhythmische Kraft des ersten und des letzten Satzes verweist gewissermaßen schon auf die wichtige Bedeutung, die der Rhythmus in den folgenden Werken erlangen wird.«16In Şătrarii scheint Lipatti eine bewusste Standortbestimmung innerhalb der maßgeb-lichen Tendenzen der rumänischen Nationalschule anzustreben. Er erwirbt sich das Idiom der Nationalschule, das in dieser Phase und bezogen auf diese Gattung zwar von direkten Volksmusikzitaten Abstand nimmt, aber dennoch auf semantisch be-setzte, der Volksmusik entlehnte, wiedererkennbare Ausdruckselemente setzt.Gabriela Ocneanu verweist darauf, dass in der Zeit der Konsolidierung der Na-tionalschule, als die sie die Jahre 1920 bis 1944 bezeichnet, der Programmmusik eine wichtige Rolle zukomme, da sie Möglichkeiten biete, musikalische Mikrostrukturen der Volksmusik mit der großen orchestralen Form der Symphonischen Dichtung zu verbinden.17 Die Blütezeit der programmatischen Suite gibt sie mit den Jahreszah-len 1924, dem Entstehen von Privelişti moldoveneşti als erstem bedeutenden Werk dieses Genres, und 1938, der Orchestersuite Nr. 3 von Enescu, Săteasca (»Dorfsuite«), als Kulminationspunkt dieser Entwicklung an; als bevorzugte musi-kalische Mittel nennt sie die Erprobung impressionistischer atmosphärischer Stilele-mente neben denen der Romantik und des Neoklassizismus.18 Der Vergleich tragender Ausdruckselemente von Şătrarii mit anderen program-matisch angelegten Werken zeigt unterschiedliche Ansatzpunkte. Eine Klavier-Imi-tation der Zymbal-Klangfarbe, als Tanzelement untermauert von synkopiertem Rhythmus, findet sich, neben den bereits erwähnten Ähnlichkeiten zu Jora und Lazăr, auch im Finalsatz von Enescus Săteasca, übertitelt »Danses rustiques«. In Ol-teneasca von Paul Constantinescu erklingt das Zymbal sogar im Original. Einige der oben beschriebenen Ähnlichkeiten zu Privelişti moldoveneşti, vor allem hinsichtlich der Entwicklung einer verwandten Klanglichkeit, beruhend auf ähnlicher Platzie-rung der Soli, der Konzeption von Überlagerungs- und Verdichtungsprozessen, aber auch im Bereich von Artikulation und Einsatz chromatischer Spezifika, finden sich auch in Joras Ballett La Piaţă (»Auf dem Markt«). Bărgăuanu und Tănăsescu be-16Vancea, 1978, S. 279; »Vigoarea ritmică a primei şi ultimei părţi reprezenta oarecum o indicaţie în pri-vinţa rolului important pe care ritmul îl va avea în lucrările următoare.«17Vgl. Ocneanu, Gabriela: Conceptul de programatism în muzica simfonică românească, Iaşi 2000, S. 51f.18Vgl. a.a.O., S. 52ff.