2.1 Frühe Werke der Stilorienterung227Vasile verortet Zirras und Lazărs Kompositionen im ländlichen, Lipattis Şătrarii hingegen im städtischen Milieu, was er, ebenso wie Zeno Vancea,25 mit einem volkstümlich-städtischen Stil der tänzerischen Passagen begründet.26 Die Lage des Floreasca-Sees27 in der Seenkette rund um Bukarest bestätigt diesen musikalischen Beleg. Auch Vancea schreibt: »Im Unterschied zur Sonatine [für Violine und Klavier], deren melodische Struktur in vieler Hinsicht den Einfluss archaischer Volksmusik zeigt, ist die Inspirationsquelle der Suite [Şătrarii] die städtische Folklo-re.«28Vasile spricht in diesem Zusammenhang, übereinstimmend mit Alexandru Zirraund Béla Bartók,29 die ambivalente Rolle der Lăutari, explizit der Țigani, an: Wäh-rend hauptsächlich sie die Überlieferer der rumänischen Volksmusik seien, da sie diese seit Jahrhunderten bei Festbräuchen praktizierten, seien sie durch ihre allen Neuerungen aufgeschlossene Spielpraxis zugleich auch die größten Veränderer die-ser Musik, die dadurch, von den Lăutari überliefert, nicht mehr als die ursprüngli-che rumänische Musik betrachtet werden könne.30 Daher müsse unterschieden wer-den zwischen »autochthonen Melodien und denen der Țigani-Tradition.«31 Das Be-sondere an Zirras Komposition Ţiganii sieht Vasile demnach in der Verbindung von rumänischer Volksmusik einerseits und Țigani-Elementen andererseits, eine Vorge-hensweise, die Zirra scharfe Kritik z. B. von dem Musikwissenschaftler George Breazul einbringt. Dieser sieht durch die Verarbeitung von Țigani-Elementen und deren Überlagerung mit denen rumänischer Volksmusik gar die Paradigmen der noch jungen rumänischen Schule in Gefahr. Da die sich an diesem Punkt entzün-dende, zeitlich kurz vor Lipattis Şătrarii liegende Debatte bedeutsam für das ästheti-sche Selbstverständnis und die kulturelle Identität der Komponisten während der Zwischenkriegszeit ist, soll sie an dieser Stelle dargelegt werden:Ausgangspunkt ist eine Rezension Breazuls vom Juli 1930 in der Tageszeitung »Cuvântul« (»Das Wort«), in der er die Aufführung von Zirras Ţiganii und Rogals-kis Symphonischen Skizzen ein »Zigeunerkonzert«32 nennt. Er sieht darin die Ab-kehr von den errungenen Standpunkten der »Universalität und der Abstraktion der Musikgeschichte […] des Westens«33 und wirft den Komponisten das Anbiedern an einen niederen, unreflektierten Volksgeschmack vor.34 Aufschlussreich ist diese Stellungnahme, da sie verdeutlicht, dass die Nationalschulkomponisten im Sinne Breazuls bei aller programmatischen Plakativität und Hinwendung zu volksmusi-25Vgl. Vancea, 1978, S. 277.26Vgl. Vasile, o. J., S. 273.27Vgl. den dritten Satz, »Idilă la Floreasca«.28Vancea, 1978, S. 277; »Spre deosebire de Sonatină, a cărei structură melodică arată în bună parte in-fluenţa muzicii populare arhaice, sursa de inspiraţie a Suitei este folclorul urban.«29Vgl. III.1 »Kennzeichen der Volksmusik in Rumänien«.30Vgl. Vasile, o. J., S. 273.31A. a. O., S. 274; »melodii autohtone şi ale celor tradiţionale ţigăneşti.« 32Breazul, George: Cronica Muzicală Muzica romînească Zirra şi Rogalski, in: Cuvântul, Anul VI, Nr. 1870, Bukarest 7. Juli 1930, S. 1, zit. nach ebd.; »un concert ţigănesc«.33Ebd., »universalismul și abstracţionismul istoriei muzicii […] Apusului«.34Vgl. ebd.