2.1 Frühe Werke der Stilorienterung229im Verlauf der 30er Jahre immer stärker politisch zuspitzen und gegen andere Kul-turen, vor allem das Judentum, aber auch die »Ţigani« richten wird. Der »Cu-vântul« wird durch seinen Redakteur, den Philosophen Nae Ionescu, der in den 30er Jahren zum »Vorzeigeintellektuellen«41 der faschistischen, antisemistischen »Eisernen Garde« werden wird, zum Sprachrohr in national-ideologischen Debatten um ein neues rumänisches Selbstbewusstsein.Bestätigt wird die Sorge Breazuls um eine europäische Anerkennung allerdings durch Reaktionen, wie Lipatti sie in Paris etwa von seinem Lehrer Dukas erfährt: »Im Moment […] arbeite ich an einer Fantasie für Klavier und Orchester, in rumänischer Atmosphäre. Was die ›rumänische Atmosphäre‹ angeht, habe ich ständig Diskussionen mit Dukas. Er sagt, eine derartige Musik könne niemals universell werden, sondern sei schlicht und einfach Regionalmusik.«42 Lipatti wird sich in seinen späteren Kompositionen nicht noch einmal so explizit dem »Țigani«-Thema annähern, Elemente der Lăutari-Musik jedoch wie selbstver-ständlich in seine Musiksprache integrieren. Von ihm ist keinerlei Unterscheidung zwischen »rumänischer« und »Lăutari«-Musik bekannt. Die Tatsache, dass sich Li-patti in späteren Kompositionen, dem Nocturne (Thème moldave) (1937) und der In-troduction et Allegro pour flûte solo (1939) der Verarbeitung direkter volksmusikali-scher Zitate in seinen Kompositionen zuwendet, deutet jedoch auf einen Prozess der Konzentration auf die ursprüngliche rumänische Bauernmusik hin.Zusammenfassend lassen sich folgende Schlüsse aus der Betrachtung von Şătrarii ziehen:– Der entscheidende Entwicklungsschritt, den Lipatti in Şătrarii vollzieht, wes-halb es von Bărgăuanu und Tănăsescu u. a. als »première oeuvre d’envergu-re«43 bezeichnet wird, liegt in seiner entschiedenen Hinwendung zur natio-nalen Schule: Der 16 Jahre alte Komponist füllt mit konzeptioneller Geschlos-senheit eine breit angelegte symphonische Form, die ihm Anerkennung und öffentliche Würdigung als ernstzunehmendem Komponisten im Rahmen der nationalen Schule sichert. Er nutzt dabei von Joravermittelte, zeitgemäße und für die rumänische Nationalschule typische Ausdrucksmittel, in denen er je-doch gleichzeitig große Eigenständigkeit und Originalität entwickelt, etwa in der »rumänisch-impressionistisch« auskomponierten Idylle im zweiten Satz oder den tänzerischen Passagen, in denen er eine unverwechselbare Grund-stimmung aufbaut. Die Lehrer-Schüler-Beziehung, die sich noch in der ro-41A.a.O., S. 13.42Lipatti in einem Brief vom 25.03.1935 an Miron Şoarec, Șoarec, 1981, S. 35; »Acum […] lucrez o Fantezie pentru pian şi orchestră, în atmosferă românească. Relativ la ‚atmosfera românească‹, am mereu discuţii cu Dukas. El zice că o asemenea muzică nu poate deveni niciodată universală ci este pur şi simplu o muzică regională.«43Bărgăuanu / Tănăsescu, 1991, S. 29; »erstes Werk von Format«.