234WerkanalysenEine Reminiszenz an Bach, vor allem an seine Orchestersuiten, ist auch im zweiten Satz, einem lyrisch versponnenen Adagio molto, evident: Die maßgeblichen Mittel sind imitative Durchdringung in der Stimmführung, Sequenzierung, barocktypische, dem Cembalo entlehnte figurative Ornamentik, die auf eine streng polyphon ausgearbeitete Kadenz zuläuft, weiter eine Umspielung durch die Violine, das solistische Heraustreten von Oboe und Geige, teilweise im Dialog mit dem Klavier verschmelzend, und nicht zuletzt die Verwendung der Tonart h-Moll,60 so dass Mooser von einer »attention respectueuse«61 gegenüber Bach spricht. Die an die französische Ouvertüre angelehnte punktierte Themenbildung und umspielende Verzierung vor den Haupttönen, kontrastiert vom ruhig-konstan-ten Puls der tiefen Streicher, finden sich auch im »Intermezzo« (Andante) der zeit-gleich entstehenden Toccata pour orchestre de chambre, wo, ebenfalls der französi-schen Ouvertüre verwandt, eine rasche Fuge folgt. Hier zeigt sich wiederum Lipat-tis Vorliebe für die noch unverfremdete neobarocke Tonsprache in dieser Arbeits-phase:Notenbeispiel 45: D. Lipatti: Concertino en style classique / Concertino im klassischen Stil für Klavier und kleines Orchester op. 3, UE 1941, 2. Satz, Takte 4–5, vollständige Partitur (Holzbläser, Klavier, Streicher). Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages. © Copyright 1941 Universal Edition A. G., Wien/UE 1129660Vgl. Bărgăuanu / Tănăsescu, 1991, S. 200.61Mooser, 1957, S. 49; »achtungsvollen Aufmerksamkeit«.