242WerkanalysenUraufführung als Suite classique an der École Normale am 30.04.1938 und einer Aufführung mit Haskil als Solistin mit dem Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire unter Charles Münch am 03.07.1939 folgt die rumänische Uraufführung als Concertino en style classique am 05.10.1939 mit dem Bukarester Philharmonieorchester unter George Georgescu. Das Concertino en style classique ist mit einer Ausgabe der Universaledition Wien von 1941, dem zehn Jahre später die Herausgabe der Transkription für zwei Klaviere folgt, das einzige noch zu Lebzeiten Lipattis edierte Werk und dazu die einzige Komposition, die von Lipatti selbst in Deutschland eingespielt wurde, unter Hans Benda 1943 in Berlin im Auftrag des rumänischen Rundfunks.75 Haskil wird das Werk in ihren Konzertpro-grammen behalten, ebenso Walter Gieseking. Rudolf Baumgartner erinnert sich an die Schweizer Uraufführung des Concertino en style classique, an der er als Geiger des Zürcher »Collegium Musicum« unter der Leitung Paul Sachers mitwirkt: Es sei eine stilistische Entdeckung gewesen, »für uns alle war es unglaublich, diesen Stil von außergewöhnlicher Reinheit und Nüchternheit zu hören.«76Das Concertino en style classique ist Teil des Schweizer Gedenkkonzertes zu Lipat-tis 10. Todestag am 02.12.1960 durch Ansermet mit Jean Ulleern am Klavier,77 und Madeleine Lipatti spielt es mit dem New Yorker Philharmonieorchester unter dem rumänisch-kanadischen Dirigenten Remus Ţincoca ein.78 Dass es auch in heutiger Zeit am häufigsten auf den Konzertprogrammen in Erinnerung an Lipatti steht, mag in der Fasslichkeit des Werkes ebenso begründet sein wie in der vergleichswei-se einfachen Bewältigung des Orchesterparts, Tatsachen, die dazu geführt haben mögen, dass das Werk bisher Lipattis reiferen und weniger gefälligen Kompositio-nen vorgezogen wurde. Eine Gegenüberstellung der beiden Frühwerke Şătrarii und Concertino en style classique als Ausgangspunkte für den »style roumain« und »style français« lässt folgende Aspekte deutlich werden: Der stilistische Unterschied zwischen Opus 2, der Suite Şătrarii, und Opus 3, dem Concertino en style classique, könnte kaum größer sein. Dennoch ist beiden Werken ihre gezielte Suche nach einem anvisierten Ausdrucksideal gemeinsam. Die reduzierte Kammermusikform im Anschluss an das dichte Orchesterwerk ist Ausdruck der Hinwendung zum Neoklassizismus als Teil einer bewussten kompositorischen Umorientierung. Während Şătrarii mit üppiger Klangentfaltung und bewusst kolorierender Illustration von semantisch besetztem Instrumentarium in der romantisch-symphonischen Tradition steht, bekundet der schlankere Kammermusikkörper des Concertino en style classique dagegen in der Reduzierung des Klangapparats eine andere Wahrnehmung und Behandlung des Materials. Im75EDC 430 / 431 bei Electrecord Romania.76Zit. nach Gheorghescu, Florica: Dinu Lipatti. Typoskript des gleichnamigen Filmes, Bukarest TVR o. J., S. 3; »era de necrezut să asculţi acest stil de o puritate şi sobrietate extraordinară pentru noi toţi.«77Vgl. A. Lipatti, 1967, S. 70.78Vgl. Bărgăuanu, Grigore: Corespondenţa dintre Dinu Lipatti şi Nadia Boulanger, in: Muzica 4/2000, S. 93.