2.2 Weitere Entwicklungsphasen des »style roumain«259abrupt ab und scheint eben dadurch die Unerschöpflichkeit solcher Verarbeitungs-möglichkeiten anzudeuten. Andante espressivo Nach diesem stürmischen und zugleich verspielten Beginn hebt sich der ruhige Mittelsatz durch seine reduzierte Tonsprache, seine verhaltene Klanglichkeit ab. Eine streckenweise unbegleitete monodische Weise bleibt in steter, leicht modifizierter Wiederholung beständig bestehen, ohne mit gegensätzlichen Elementen konfrontiert zu werden. In dieser nur geringfügig variierenden Verarbei-tung der Melodie, die in einer Reprise des Themenkopfes in den letzten Takten etwa von angedeuteten Imitationen wieder zum Unisono zurückfindet, liegen heteropho-ne Züge, so dass hier ein wichtiges Kennzeichen des orientalischen Einflusses auf die rumänische Musik, das Streben nach ständiger Variierung bei Wahrung des ein-heitlichen Denkens, »la loi de l’unité dans la variété de l’univers de la chanson po-pulaire«102 hier auskomponiert erscheint. Wie in anderen langsamen Sätzen von Li-patti, z. B. im Concerto pour orgue et piano, in der Aubade (»Nocturne«), im Nocturne (en fa# mineur) vollzieht sich das unablässige melodische Fortschreiten unaufgeregt und wie ziellos. Der kleinschrittige Melodieverlauf des »Andante espressivo« wird immer wieder von Punkten des Verweilens, entweder langen Notenwerten oder ar-peggierten Klangaufbauten, unterbrochen. Grundtonart des Satzes ist B-Dur, doch tragen die oft nur gestreiften Modulatio-nen meist modale Züge mit fehlender Leittönigkeit, häufigen Mediantenbeziehun-gen und Quartschichtungen. Durch überraschende harmonische Wendungen wird die konstante Melodie immer wieder neu ausgeleuchtet. Dennoch scheint deren to-nale Ausrichtung weniger harmonisch gedacht; sie entsteht vielmehr dadurch, dass, z. B. in den Takten 9 und 10, in den Begleitstimmen jeweils eine mixolydische und eine äolische Leiter im Terzabstand parallel abwärts geführt werden, wodurch mit jedem Viertelschritt neue tonale Bezüge entstehen. 102G. Firca, 1996, S. 36; »das Gesetz der Einheit in der Mannigfaltigkeit im Ganzen des Volksgesangs«. Vgl. dazu auch a.a.O., S. 44: »Le travail par variantes se manifeste dans le tissu hétérophonique en égale mesure tant par la conservation de l’unité de l’intonation« »Die Variantenarbeit äußert sich im heterophonen Gewebe in gleicher Weise wie durch die Wahrung der Einheit der Intonation«.