264Werkanalysen»Im Frühjahr 1950 hatte ich einen Klavierabend in Genf zu geben und fragte Lipatti, ob er mir dafür eine von seinen Kompositionen vorschlagen könne. Er gab mir seine Sonatine, die damals noch nicht gedruckt war. Er hat mir das Manuskript gegeben, das ich von Hand kopiert habe. Die gedruckte Ausgabe von Salabert erschien erst nach seinem Tode.«107Zunächst im persönlichen Umkreis Lipattis aufgeführt, gehört die 1952 bei der Edi-tion Salabert gedruckte Sonatine pour piano (main gauche seule) inzwischen zum be-kannteren Repertoire von Kompositionen des 20. Jahrhunderts für die linke Hand.108 2.2.3 Danses RoumainesDie Danses Roumaines sind eines der letzten umfangreichen Werke Lipattis. Sie zeichnen sich innerhalb der späten Kompositionsphase durch ihre im Titel benannte und deutlich auskomponierte rumänische Charakteristik aus. Lipatti komponiert sie im Juli 1943 anlässlich seiner Konzerttournee nach Westeuropa zur Erweiterung des Duo-Repertoires mit seiner Partnerin Madeleine Cantacuzène.109 Zwei Jahre später nimmt er eine Bearbeitung in eine Fassung für Klavier und Orchester vor.110 Sie wird am 10.10.1945 in Genf uraufgeführt unter Ernest Ansermet, dem das Werk ge-widmet ist.111 Zu dieser Zeit hat sich Lipatti endgültig in Genf niedergelassen, lebt also abgeschieden von rumänischen Kultureinflüssen, wenn auch nicht von anderen rumänischen Musikern.112 1954 werden die Danses Roumaines in beiden Versionen in Paris bei Salabert publiziert. Die weitere Rezeption ist mäßig. Aufführungen durch Julien Musafia,113 ameri-kanischer Pianist rumänischer Herkunft, ist der einzige Hinweis auf eine aktuellere Rezeption. Eine Einspielung der Version für zwei Klaviere von Suzana Szöreny und 107E-Mail an die Autorin, 15.01.2003.108Vgl. die Aufnahmen von Raoul Sosa (CD FL 2 3081), Monica Gutman (CD CLA 50-9906), Antoine Rebstein (CD CLA 50-502502) und Gerd Meditz (CD S 2037).109Vgl. M. Lipatti, 1970, S. 13; »En 1943, Lipatti reçut une invitation à donner des concerts en Suède et en Finlande. Il composa des Danses roumaines pour deux pianos afin que je puisse l’accompagner. Le prétexte des concerts justifiait mon départ.« »1943 erhielt Lipatti eine Einladung, um in Schweden und Finnland zu konzertieren. Er komponierte Rumänische Tänze für zwei Klaviere, damit ich ihn be-gleiten konnte. Der Vorwand der Konzerte rechtfertigte meinen Weggang.« Vgl. auch Șoarec, 1981, S. 91: »După ce a cunoscut-o pe Madeleine […] – Dinu a scris cîteva lucrări pentru două piane, pe care le cînta cu partenera preferată, Madeleine […].« »Nachdem er Madeleine […] kennengelernt hat-te – schrieb Dinu einige Werke für zwei Klaviere, die er mit seiner bevorzugten Partnerin, Madeleine […] spielte.« 110Die von Lipatti verzeichneten Daten unter dem Werk sind: »Fundățeanca le 17. VII 1943«; »Mérimont le 5 Août 1945«.111Die Aufnahme ist erhalten: Vgl. CD ARC 112/113. 112Hingewiesen wurde bereits auf die Gegenwart von Clara Haskil und dem rumänischen Komponis-ten und Musikethnologen Constantin Brăiloiu, der sich u. a. durch die Arbeit in seinen 1944 in Genf gegründeten Archives internationales de folklore musical einer Bestandsaufnahme der rumänischen und internationalen Volksmusik im westlichen Europa widmet, vgl. II.4 »Genf 1943–1950«.113Vgl. Interviewäußerung Musafias in F. Gheorghescu (TVR), o. J., S. 7.